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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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anderes übrig, als aus dem Raum zu hasten, ohne auch nur Williams Hand zu berühren und »Guten Morgen« zu ihm zu sagen.
     
    Anne und der König beratschlagten beinahe den ganzen Morgen im geheimen miteinander, was der Rücktritt Thomas |433| Mores für sie bedeuten könnte. Mein Vater und Onkel waren bei ihnen und Cranmer und Sekretär Cromwell, alles Männer, die Annes Sache zu der ihren gemacht hatten. Alle entschlossen, daß der König die Macht und das Vermögen der Kirche Englands an sich reißen sollte. Anne und der König erschienen in schönster Eintracht bei Tisch. Sie saß zu seiner Rechten, als wäre sie bereits Königin.
    Nach dem Essen zogen sich die beiden in sein Privatgemach zurück, und alle anderen wurden weggeschickt. George flüsterte mir zu: »Solange dabei nur ein kleiner Prinz herauskommt, was?« Dann schlenderte er fort, um mit Francis Weston und ein paar anderen Karten zu spielen. Ich ging in den Garten, um mich in die Sonne zu setzen und über den Fluß zu schauen. Ich sehnte mich nach William Stafford.
    Plötzlich stand er vor mir.
    »Habt Ihr heute morgen nach mir Ausschau gehalten?« fragte er.
    »Nein«, log ich geübt. »Nach meinem Bruder.«
    »Wie auch immer, ich habe jetzt nach Euch Ausschau gehalten«, meinte er. »Und bin froh, daß ich Euch gefunden habe. Sehr froh, Mylady.«
    Ich rutschte auf meiner Bank ein wenig zur Seite und bedeutete ihm, sich neben mich zu setzen. Kaum war er mir nah, da spürte ich wieder, wie mein Herz pochte. Ich merkte, daß ich mich ein wenig zu ihm hinlehnte, und zwang mich, aufrecht zu sitzen.
    »Ich soll mit Eurem Onkel nach Calais reisen«, sagte er. »Vielleicht kann ich Euch auf der Reise zu Diensten sein.«
    »Danke«, antwortete ich.
    Wir schwiegen beide.
    »Mein Benehmen auf dem Stallhof neulich tut mir leid«, begann ich. »Ich hatte Angst, Anne würde uns zusammen sehen. Solange sie die Vormundschaft über meinen Sohn hat, wage ich nicht, sie zu verärgern.«
    »Ich verstehe«, erwiderte William rasch. »Es war nur dieser Augenblick – als ich Euren kleinen Reitstiefel in der Hand hielt, wollte ich ihn nie wieder loslassen.«
    |434| »Ich kann nicht Eure Geliebte sein«, flüsterte ich. »Wirklich nicht.«
    Er nickte. »Aber habt Ihr heute morgen nach mir Ausschau gehalten?«
    »Ja«, hauchte ich, endlich aufrichtig. »Ich hätte keine Minute länger ertragen, ohne Euch zu sehen.«
    »Ich habe den ganzen Tag in diesem Garten und draußen vor den Gemächern Eurer Schwester herumgelungert, weil ich hoffte, Euch zu sehen«, gestand er. »Ich bin schon so lange hier draußen, daß ich mir ernsthaft überlegt habe, mir einen Spaten zu holen und mich nützlich zu machen, während ich wartete.«
    »Als Gärtner?« fragte ich, und mir stieg ein Lachen in die Kehle beim bloßen Gedanken an Annes Gesicht, wenn ich ihr erklärte, ich sei in den Mann verliebt, der den Garten umgrub. »Das wird wohl kaum helfen.«
    »Nein«, sagte er und stimmte in meine Heiterkeit ein. »Vorher hatte ich mich wie ein Zuhälter in den Gemächern der Damen herumgetrieben. Mary, was sollen wir machen? Was begehrt Ihr?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete ich und sprach nichts als die Wahrheit. »Ich komme mir vor, als hätte ein Wahn von mir Besitz ergriffen. Wahre Freunde, wenn ich welche hätte, würden mich so lange festbinden, bis dieser Wahn vorüber ist.«
    »Glaubt Ihr, daß er vorübergeht?« fragte er, als sei ihm das noch nie in den Sinn gekommen.
    »O ja«, meinte ich. »Es ist eine Laune, nicht wahr? Nur daß sie uns beide gleichzeitig erfaßt hat. Ich habe Gefallen an Euch gefunden. Wenn Ihr mich nicht beachtet hättet, wäre ich wohl eine Weile herumgeirrt und hätte Euch mit Kuhaugen angeschmachtet, und dann wäre die Sache ausgestanden gewesen.«
    Er lächelte. »Das würde mir gefallen. Ließe sich das nicht auch jetzt noch einrichten?«
    »Später einmal werden wir darüber lachen.«
    Ich erwartete Widerspruch. Eigentlich rechnete ich damit, daß er sagen würde, es sei die unsterbliche wahre Liebe, daß er mich überreden wollte, der Stimme meines Herzens zu folgen, koste es, was es wolle.
    |435| Aber er nickte nur. »Eine Laune also? Nicht mehr?«
    »Oh«, antwortete ich überrascht.
    William erhob sich. »Wie bald erwartet Ihr, Euch davon zu erholen?« fragte er beiläufig.
    Ich stand ganz nah bei ihm. Jede Faser meines Leibes sehnte sich nach seiner Berührung, was immer ich auch sagte.
    Sein Mund war so nah an meinem Ohr, daß sein Atem eine

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