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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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einzige und wahre Mistress Stafford werden.«
    »Ich kann all das nicht«, wandte ich schwach ein.
    »Was zum Beispiel?«
    »Käse machen. Hühner rupfen.«
    Langsam, als wolle er mich nicht erschrecken, kniete er neben mir nieder. Er hob meine Hand an die Lippen, drehte sie um und küßte mich auf die Handfläche, auf das Handgelenk, auf jede Fingerspitze. »Und wir werden glücklich sein.«
    »Ich habe noch nicht ja gesagt«, flüsterte ich und schloß die Augen, spürte seinen Küssen auf meiner Haut und der Wärme seines Atems nach.
    »Und auch nicht nein«, stellte er fest.
     
    In Windsor Castle stand Anne in ihrem Empfangssaal, umgeben von Schneiderinnen, Kurzwarenhändlern und Näherinnen. Große Ballen üppiger Stoffe waren über alle Stühle drapiert. Es sah eher aus wie in einem Tuchmachersaal als wie in den Gemächern einer Königin. »Wir fahren im Oktober nach Calais«, sagte Anne, während zwei Näherinnen Stoff in Falten um sie feststeckten. »Du bestellst dir besser ein paar neue Gewänder.«
    |421| Ich zögerte.
    »Was ist?« herrschte sie mich an.
    Ich wollte vor den Händlern und Hofdamen nichts sagen, schien aber keine Wahl zu haben. »Ich kann mir keine neuen Gewänder leisten«, antwortete ich leise. »Du weißt, was mir mein Mann hinterlassen hat, Anne. Ich habe nur eine kleine Witwenrente und das, was mir Vater gibt.«
    »Er wird zahlen«, sagte sie zuversichtlich. »Hol dir mein altes rotes Samtkleid und das mit dem silbernen Untergewand aus dem Schrank. Du kannst sie für dich umarbeiten lassen.«
    Langsam ging ich in ihr Privatgemach und hob den schweren Deckel von einer ihrer vielen Kleidertruhen.
    Sie deutete auf eine der Näherinnen. »Mrs. Clovelly kann es auftrennen und für dich neu nähen«, meinte sie. »Achte bloß darauf, daß es wirklich modisch wird. Ich will, daß wir am französischen Hof sehr elegant auftreten. Meine Damen sollen nichts Altmodisches, Spanisches an sich haben.«
    Ich ließ mir von der Näherin Maß nehmen.
    Anne schaute sich um. »Ihr könnt alle gehen«, sagte sie plötzlich schroff. »Alle außer Mrs. Clovelly und Mrs. Simpter.«
    Sie wartete, bis sich der Raum geleert hatte. »Es wird immer schlimmer«, stellte sie mit sehr leiser Stimme fest. »Deswegen sind wir früher nach Hause gekommen. Wir konnten keine Rundreise machen. Wo wir auftauchten, gab es Unruhen.«
    »Unruhen?«
    »Die Leute haben mir Beschimpfungen nachgeschrieen. In einem Dorf hat ein halbes Dutzend Burschen Steine nach mir geworfen. Und der König stand neben mir!«
    »Sie haben den König mit Steinen angegriffen?«
    Sie nickte. »In eine andere kleine Stadt konnten wir nicht einmal einreiten. Sie hatten einen Scheiterhaufen auf dem Marktplatz errichtet und verbrannten mein Ebenbild.«
    »Was hat der König dazu gesagt?«
    »Zuerst war er wütend und wollte Soldaten in die Stadt schicken und den Bürgern eine Lektion erteilen. Aber es war in jedem Dorf das gleiche. Es waren zu viele. Was wäre gewesen, wenn die Leute Gegenwehr geleistet hätten? Was dann?«
    |422| Die Näherin drehte mich mit sanfter Hand um. Ich bewegte mich, wie sie wollte, wußte aber kaum, was ich tat. Ich war im dauerhaften Frieden von Henrys Herrschaft aufgewachsen. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, daß Engländer sich gegen ihren König erhoben.
    »Was sagt Onkel?«
    »Zum Glück hätten wir nur den Herzog von Suffolk als Feind zu fürchten, denn wenn ein König in seinem eigenen Reich gesteinigt und beleidigt wird, folgt ein Bürgerkrieg auf dem Fuße.«
    »Suffolk ist unser Feind?«
    »Erklärtermaßen«, sagte sie knapp. »Er meint, ich hätte den König das Wohlwollen der Kirche gekostet, und fragt ihn, ob er meinetwegen auch sein Land verlieren will.«
    Ich drehte mich wieder um. Die Näherin setzte sich zurück und nickte. »Soll ich diese Kleider umarbeiten?« flüsterte sie.
    »Nehmt sie mit«, sagte ich.
    Sie raffte Stoffe und Nähkorb zusammen und verließ den Raum. Auch die Frau, die an Annes Saum arbeitete, machte den letzten Stich und schnitt den Faden ab.
    »Mein Gott, Anne«, sagte ich. »War es wirklich überall so?«
    »Überall«, antwortete sie finster. »Im einen Dorf haben sie mir den Rücken zugedreht, im nächsten haben sie mich ausgebuht. Wenn wir über die Landstraßen ritten, riefen mir die Buben, die die Krähen verscheuchen sollen, hinterher. Die Gänsemägde spuckten vor mir aus. Wenn wir durch einen Marktflecken kamen, warfen uns die Marktweiber stinkenden Fisch und faulendes

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