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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Gemüse vor die Füße. Wenn wir in einem Herrenhaus oder in einer Burg weilten, folgte uns stets eine Menschenmeute und beschimpfte uns, und wir mußten die Tore vor ihr absperren. Es war schlimmer als ein Albtraum. Unsere Gastgeber begrüßten uns mit langen Gesichtern, sobald sie die Hälfte auf der Straße stehen sahen, die unverhohlen Haßtiraden gegen den rechtmäßigen König grölten. Wir kamen mit dem Unglück im Gefolge an jede Tür. Wir können nicht in die Londoner Innenstadt und jetzt auch nicht mehr aufs Land. Wir verstecken uns in unseren Palästen, wo die |423| Leute uns nichts anhaben können. Und sie nennen sie Katherine, die Vielgeliebte.«
    »Was sagt der König dazu?«
    »Er meint, wir sollten nicht auf den Urteilsspruch aus Rom warten. Sobald Erzbischof Warham gestorben ist, wird er einen neuen Erzbischof ernennen, der unsere Eheschließung vornimmt. Dann heiraten wir, ob Rom zu unseren Gunsten entscheidet oder nicht.«
    »Was ist, wenn Warham noch lange lebt?« fragte ich nervös.
    Anne lachte hart auf. »Oh, schau mich nicht so an! Ich schicke ihm keine Suppe! Er ist ein alter Mann und war beinahe den ganzen Sommer bettlägerig. Er stirbt bald. Dann ernennt Henry Cranmer zum Erzbischof, und der traut uns.«
    Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »So einfach ist das? Nach all der Zeit?«
    »Ja«, sagte sie. »Wenn der König ein richtiger Mann und kein Schuljunge wäre, dann hätte er mich schon vor fünf Jahren heiraten können und wir hätten inzwischen fünf Söhne. Aber er mußte ja unbedingt der Königin beweisen, daß er recht hatte, er mußte dem Land beweisen, daß er recht hatte. Alle müssen einsehen, daß er recht hat, ganz gleich, wie es in Wirklichkeit ist. Er ist ein Narr.«
    »Das sagst du besser nur mir«, warnte ich sie.
    »Das wissen längst alle«, meinte sie störrisch.
    »Anne«, erwiderte ich. »Hüte deine Zunge und zügle dein Temperament. Du kannst immer noch zu Fall kommen, auch jetzt noch.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Er verleiht mir einen eigenen Adelstitel und überschreibt mir ein Vermögen, das mir niemand mehr wegnehmen kann.«
    »Welchen Titel?«
    »Marquis von Pembroke.«
    »Sicher Marquise?« Ich glaubte mich verhört zu haben.
    »Nein.« Ihr Gesicht strahlte vor Stolz. »Nicht den Titel einer Frau, die mit einem Marquis verheiratet ist. Sondern einen Titel, der mir direkt zusteht. Marquis. Ich werde Marquis, und das kann mir niemand mehr nehmen. Nicht einmal der König.«
    |424| Ich schloß die Augen, weil mich eine Welle puren Neids überkam. »Und das Vermögen?«
    »Ich soll die Güter Coldkeynton und Hanworth in Middlesex bekommen, dazu Ländereien in Wales. Sie werden mir etwa tausend Pfund im Jahr einbringen.«
    »Tausend Pfund?« wiederholte ich und dachte an meine jährliche Rente von einhundert Pfund.
    Anne strahlte. »Dann bin ich die reichste Frau in ganz England und die edelste dazu«, sagte sie. »Reich aus eigenen Stücken, edel aus eigenen Stücken. Und dann werde ich Königin.«
    Sie lachte, als ihr klar wurde, wie bitter ihr Triumph für mich sein mußte. »Du mußt dich für mich freuen.«
    »Oh, das tu ich.«
     
    Am nächsten Morgen herrschte auf dem Stallhof großes Getümmel. Der König wollte zur Jagd ausreiten, und alle mußten mitkommen. Man brachte die Jagdpferde aus den Ställen, und in einer Ecke des Hofes wartete die Meute der Hunde. Henrys schwarzes Jagdpferd stand mit hoch erhobenem Kopf und ungeduldig scharrenden Hufen beim Aufsteigeblock und wartete auf den König.
    Ich hielt überall nach William Stafford Ausschau, bis ich eine kaum merkliche Berührung an der Taille spürte und eine warme Stimme mir ins Ohr murmelte: »Man hat mich auf einen Botengang geschickt. Ich bin den ganzen Rückweg gerannt.«
    Ich wandte mich zu ihm um, lag ihm beinahe in den Armen. Wir standen so nah beieinander, daß unsere Körper, wären wir nur einen kleinen Schritt vorgetreten, sich in voller Länge berührt hätten. Ich mußte vor Verlangen die Augen schließen, als ich seinen Duft wahrnahm. Ich hob den Blick wieder und sah, daß auch seine Augen dunkel vor Begehren waren.
    »Um Gottes willen, tretet einen Schritt zurück«, sagte ich mit bebender Stimme.
    Widerwillig löste er eine seiner Hände von meiner Taille und trat einen halben Schritt zurück. »Bei Gott, ich muß Euch heiraten!« |425| sagte er. »Mary, ich bin völlig außer mir. Ich habe derlei noch nie im Leben erfahren. Ich halte es keinen Augenblick mehr aus, ich muß Euch in

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