Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
Hofdamen uns damit begnügen, vom Fenster aus auf den französischen König herabzuschauen. Von seiner legendären schönen Gestalt erspähten wir so kaum mehr als den Hinterkopf. Ich hatte erwartet, daß Anne fürchterlich wütend sein würde, weil man sie ausschloß, doch sie lächelte und tat geheimnisvoll, und wenn der König nachts nach dem Essen in ihr Gemach kam, wurde er so ausgesprochen freundlich von ihr empfangen, daß ich mir sicher war, daß etwas dahintersteckte.
    Wir sollten auf ihr Geheiß einen ganz besonderen Tanz einüben, den sie anführen wollte und der auch die Speisenden bei Tisch einbeziehen sollte. Offensichtlich wollte sie sich so ins Bankett des Königs einschleichen und mit dem König von Frankreich tanzen.
    Einige der jüngeren Hofdamen fragten sich, wie sie es wagen konnte, gegen alle Sitten und Gebräuche zu verstoßen, doch ich wußte, daß dieser Plan sicher Henrys Zustimmung besaß. Seine Überraschung bei ihrem Erscheinen würde geheuchelt sein.
    Obwohl ich jeden Morgen mit Anne ausritt und nachmittags |445| mit ihr und den Hofdamen tanzte, fand ich doch mittags die Zeit, durch die Straßen von Calais zu schlendern, wo in einer kleinen Schenke stets William Stafford auf mich wartete. Er zog mich dann ins Innere des Hauses, weg von den neugierigen Blicken der Menschen auf der Straße, und stellte mir einen Becher Dünnbier hin.
    »Geht es Euch gut, Liebste?«
    Ich lächelte ihn an. »Ja. Und Euch?«
    Er nickte. »Ich soll morgen mit Eurem Onkel ausreiten.«
    »Onkel hat mir gesagt, daß er Euch vielleicht zum Stallmeister ernennt. Das wäre doch gut für uns, nicht?« sagte ich nachdenklich. »Wir könnten uns öfter sehen, wenn Ihr für mein Pferd verantwortlich wärt, und wir könnten zusammen ausreiten.«
    »Und natürlich heiraten«, neckte er mich. »Euer Onkel wäre gewiß entzückt, wenn sein Stallmeister seine Nichte heiraten würde. Nein, meine Liebste, ich glaube nicht, daß es gut für uns wäre. Ich glaube nicht, daß bei Hof für uns Platz ist.« Er berührte meine Wange. »Ich möchte Euch nicht nur sehen, wenn ich zufällig Glück habe. Ich möchte Euch jeden Abend, jeden Morgen, jeden Tag sehen, weil wir verheiratet sind und im gleichen Haus leben.«
    Ich schwieg.
    »Ich warte auf Euch«, sagte William leise. »Ich weiß, daß Ihr jetzt noch nicht bereit seid.«
    Ich schaute zu ihm auf. »Es hat nichts damit zu tun, daß ich Euch nicht liebe. Es geht um die Kinder, um meine Familie, um Anne. In erster Linie geht es um Anne. Ich kann sie nicht verlassen.«
    »Weil sie Euch braucht?« fragte er überrascht.
    Ich lachte leise. »Großer Gott, nein! Weil sie mich nicht gehen läßt. Sie muß mich immer im Auge behalten, damit sie weiß, daß sie in Sicherheit ist.« Die lange und erbitterte Rivalität zwischen uns beiden konnte ich ihm wohl kaum erklären. »Jeder ihrer Triumphe ist nur halb soviel wert, wenn ich nicht dabei bin. Alles, was mir mißlingt, jede kleine Beleidigung, jede Demütigung, die ich erleide, bemerkt sie sofort und |446| würde sie sogar ahnden, doch im innersten Herzen jubelt sie, weil mir jemand einen Schlag versetzt hat.«
    »Das klingt, als wäre sie eine richtige kleine Hexe«, sagte er.
    Wieder mußte ich lachen. »Ich wünschte, es wäre so einfach«, gestand ich ihm. »Aber ehrlich gesagt, bin ich genauso. Ich bin so neidisch auf sie wie sie auf mich. Doch ich habe ihren unaufhaltsamen Aufstieg erlebt. Ich werde sie nun nie mehr überflügeln. Damit habe ich mich inzwischen abgefunden. Ich weiß, daß sie den König gekapert und an sich gefesselt hat, was mir nicht gelungen ist. Aber ich weiß auch, daß ich das nicht wirklich wollte. Nachdem ich meinen Sohn geboren hatte, wollte ich nur noch bei meinen Kindern sein, weit weg vom Hof. Außerdem ist der König so …«
    »So?« ermunterte er mich.
    »… so begehrlich, nicht nur nach Liebe, sondern überhaupt. Er ist wie ein Kind, und als ich dann ein eigenes Kind hatte, da hatte ich keine Geduld mehr mit einem Mann, der ständig unterhalten werden wollte wie ein Kind. Sobald ich begriffen hatte, daß König Henry ebenso selbstsüchtig ist wie sein kleiner Sohn, konnte ich ihn nicht mehr lieben.«
    »Aber Ihr habt ihn nicht verlassen.«
    »Einen König verläßt man nicht«, erklärte ich schlicht. »Von dem wird man verlassen.«
    William nickte.
    »Als er sich von mir abwandte und Anne den Hof machte, habe ich ihn ohne Bedauern ziehen lassen. Wenn ich heute mit ihm tanze, speise oder

Weitere Kostenlose Bücher