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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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spazierengehe und rede, erfülle ich nur meine Aufgabe als Hofdame: Ich gebe ihm zu verstehen, daß er der wunderbarste Mann auf der Welt ist, schaue zu ihm auf, lächle und mache ihn glauben, daß ich immer noch in ihn verliebt bin.«
    Williams Arm schloß sich um meine Taille und hielt mich fest umklammert. »Aber das seid Ihr nicht«, verkündete er.
    »Laßt mich los!« flüsterte ich. »Ihr drückt zu sehr.«
    Sein Griff wurde noch ein wenig fester.
    »Nein, natürlich nicht. Ich tue nur meine Pflicht als Boleyn-Mädchen, als Howard-Höfling. Natürlich liebe ich ihn nicht.«
    |447| »Und liebt Ihr einen anderen?« fragte er im Plauderton. Immer noch hielt er meine Taille umklammert.
    »Nein, niemand«, provozierte ich ihn.
    Er legte mir einen Finger unter das Kinn und hob mein Gesicht zu sich empor. Er musterte mich mit seinen strahlenden braunen Augen, als wolle er bis in meine Seele schauen.
    »Einen Niemand«, erläuterte ich.
    Sein Kuß streifte meine Lippen sanft wie eine Feder.
     
    An jenem Abend speisten Henry und François zusammen in Staple Hall. Wir Hofdamen, Anne allen voran, schlichen uns aus der Festung, unsere feinen Gewänder unter Umhängen verborgen, den Kopfputz unter Hauben versteckt. Wir versammelten uns im Saal vor dem Privatgemach, legten unsere Umhänge ab und halfen einander in goldene Verkleidungen. Im Saal gab es keine Spiegel, so daß ich nicht überprüfen konnte, wie ich aussah, aber die anderen ringsum waren ein einziges goldenes Leuchten, und ich wußte, daß ich mit ihnen um die Wette glitzerte. Anne strahlte ganz besonders. Ihre dunklen Augen blitzten durch die Sehschlitze ihrer goldenen Habichtmaske.
    Dann liefen wir zu unserem Tanz ins Speisezimmer. Henry und König François konnten die Augen nicht von Anne losreißen. Ich tanzte mit Sir Francis Weston, der mir auf französisch die scheußlichsten Dinge ins Ohr flüsterte, und ich beobachtete, wie George hastig eine andere Dame aufforderte, um nicht mit seiner Gattin tanzen zu müssen.
    Dann wandte sich Henry zu einer Tänzerin und demaskierte sie, nahm anschließend einer nach der anderen die Maske vom Gesicht, zuletzt Anne.
    »Ah, Anne, Marquis von Pembroke«, sagte König François überrascht. »Als ich Euch kennenlernte, wart Ihr Mistress Anne Boleyn. Damals wart Ihr das hübscheste Mädchen an meinem Hof, genau wie Ihr jetzt die schönste Frau am Hofe meines Freundes Henry seid.«
    Anne lächelte und wandte den Kopf, um auch Henry anzustrahlen.
    |448| »Nur ein einziges Mädchen konnte Euch je das Wasser reichen, und das war das andere Boleyn-Mädchen«, sagte der französische König und hielt nach mir Ausschau. Im Nu verflog Annes Triumph. Sie gebot mir mit einer herrischen Geste vorzutreten, als wünschte sie, ich ginge statt dessen zum Schafott. »Meine Schwester, Majestät«, sagte sie schroff. »Lady Carey.«
    François küßte mir die Hand. »
Enchanté «
, flüsterte er verführerisch.
    »Wir wollen weitertanzen!« rief Anne so gereizt, wie es zu erwarten war, weil auch ich einmal im Mittelpunkt stand. Die Musikanten spielten einen Tusch, und den ganzen restlichen Abend gaben sich alle die größte Mühe, Anne bei Laune zu halten.
     
    Der Abend war der Abschluß des Staatsbesuchs in Frankreich. Am folgenden Tag packten wir unsere Kisten und Kasten für die Heimreise. Weil der Wind ungünstig war, mußten wir uns länger in Calais aufhalten. Jeden Morgen wurden Boten zum Kapitän geschickt, um anzufragen, ob wir an diesem Tag oder am nächsten Tag auslaufen könnten. Anne und Henry jagten und vergnügten sich so gut, als wären wir in England. Besser sogar, denn in Frankreich schrie niemand Anne »Hure« hinterher, wenn sie die Straße entlangritt. Und auch William und ich hatten Muße, uns zu treffen.
    Jeden Nachmittag ritten wir nach Westen, galoppierten über einen festen Sandstrand, der sich erstreckte, so weit das Auge reichte. Wir trabten am Saum des Wassers entlang, ritten dann in die Dünen. Dort hob mich William aus dem Sattel und breitete seinen Umhang aus. Wir lagen zusammen da, eng umschlungen, flüsterten und küßten uns, bis ich vor Verlangen beinahe weinte.
    An manchem Nachmittag war ich versucht, mich ihm ohne jede Zeremonie hinzugeben wie ein Bauernmädchen. Er küßte mich, bis mir der Mund weh tat und meine Lippen rauh und geschwollen waren. Den ganzen langen Abend, wenn ich ohne ihn mit den anderen Hofdamen speisen mußte, spürte ich noch immer die Erinnerung an seine Leidenschaft, wenn

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