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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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seinen harten, hungrigen Boleyn-Augen an. »Was ist?«
    »Es wird dein Unheil sein«, flüsterte ich.
    »Wahrscheinlich schon«, antwortete er leichthin. »Aber Anne ist meine Rettung. Anne und mein Neffe, der König.«

|492| Sommer 1533
    Anne wollte mich im Sommer nicht nach Hever gehen lassen, weil sie im August die Geburt ihres Kindes erwartete. Der Hof sollte sich nicht auf Staatsreise zu den Landhäusern Englands begeben wie sonst. Nichts würde so sein wie immer. Ich war bitterlich enttäuscht. Ich konnte es kaum mit Anne im gleichen Raum aushalten, mußte jedoch jeden Tag um sie sein und mir ihre endlosen Reden anhören, was für ein König ihr Kind wohl werden würde. Alle mußten Anne bedienen. Alle mußten sich vor ihr verneigen. Nichts war wichtiger als Anne und ihr Bauch. Sie war der Mittelpunkt und weigerte sich, irgend etwas zu planen. Auch der Hof konnte daher nichts planen, nirgendshin reisen. Henry konnte es kaum ertragen, von ihr getrennt zu sein, ging nicht einmal mehr auf die Jagd.
    Anfang Juli wurden George und mein Onkel als Botschafter an den Hof des französischen Königs geschickt, um dort die bevorstehende Geburt eines englischen Thronfolgers anzukündigen und François Versprechungen zu machen, falls sich der spanische Kaiser nach dieser neuerlichen Beleidigung seiner Tante endgültig gegen England wandte. George und mein Onkel würden darüber hinaus auch beim Papst versuchen, die verfahrene Situation zu bereinigen. Ich fragte Anne noch einmal, ob sie nicht auch auf mich verzichten könnte, sobald sie in der Wöchnerinnenstube war.
    »Ich möchte nach Hever«, sagte ich leise. »Ich muß meine Kinder sehen.«
    Sie schüttelte den Kopf. Sie lag auf einem Diwan, alle Fenster standen offen, um die frische Brise vom Fluß hereinzulassen, aber Anne schwitzte trotzdem. Ihr Gewand war straff |493| geschnürt, ihre Brüste unter dem engen Mieder waren angeschwollen und eingeengt. Der Rücken tat ihr weh, obwohl man sie mit perlenbestickten Kissen stützte.
    »Nein«, erwiderte sie knapp.
    Sie sah, daß ich ihr widersprechen wollte. »Ach, hör doch auf damit«, sagte sie gereizt. »Ich kann dir als deine Königin befehlen, was du zu tun hast. Dabei sollte das eigentlich gar nicht nötig sein, weil ich deine Schwester bin. Du solltest das Bedürfnis haben, bei mir zu sein. Ich habe dich doch auch in der Wöchnerinnenstube besucht.«
    »Du hast mir meinen Geliebten weggenommen, während ich seinen Sohn zur Welt brachte«, antwortete ich tonlos.
    »Man hat es mir befohlen. Du hättest es umgekehrt genauso gemacht. Ich brauche dich, Mary. Geh nicht weg, wenn ich dich brauche.«
    »Wozu brauchst du mich schon?« wollte ich wissen.
    Die hochrote Farbe wich ihr aus dem Gesicht, und sie wurde kreidebleich. »Was ist, wenn es mich umbringt?« flüsterte sie. »Was ist, wenn es steckenbleibt und ich dran sterbe?«
    »O Anne …«
    »Dein Mitleid brauche ich nicht«, fuhr sie mich an. »Ich will dich nur zu meinem Schutz hier haben.«
    Ich zögerte. »Was meinst du damit?«
    »Wenn sie das Kind nur herausbekommen, indem sie mich opfern, ist mein Leben keinen Pfifferling wert«, sagte sie. »Denen wäre ein lebendiger Prinz von Wales wichtiger als eine lebendige Königin. Eine andere Königin können sie leicht bekommen. Prinzen sind heutzutage Mangelware.«
    »Ich werde sie wohl kaum davon abhalten können«, meinte ich schwach.
    »Ich weiß, du bist nur ein Rohr im Wind. Aber zumindest könntest du es George sagen, und der könnte sich beim König dafür einsetzen, daß man mich rettet.«
    Beinahe hätte sie mich überzeugt. Aber dann dachte ich an meine eigenen Kinder. »Wenn dein Kind geboren ist und es dir gut geht – dann reite ich nach Hever«, forderte ich.
    |494| »Wenn das Kind geboren ist, kannst du zum Teufel gehen, wenn du willst«, antwortete sie gleichmütig.
     
    Schließlich hatten wir nur noch zu warten. An den heißen Tagen, als es schien, als sei alles zum Stillstand gekommen, traf aus Rom eine überaus schlechte Nachricht ein. Der Papst hatte sich endgültig gegen Henry entschieden. Zur Überraschung aller sollte der König exkommuniziert werden.
    »Was?« rief Anne.
    Lady Rochford, Georges soeben geadelte Ehefrau Jane Parker, hatte die Nachricht überbracht. »Exkommuniziert.« Sogar sie blickte völlig verdattert drein. »Jeder Engländer, der dem Papst treu ergeben ist, soll dem König den Gehorsam verweigern«, berichtete sie. »Spanien darf uns überfallen, und es wäre sogar ein

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