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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Geschichten über schwierige Geburten gegenseitig Angst einjagten. Prinzessin Mary war unter ihnen, mit blassem Gesicht und grimmigem Stirnrunzeln. Ich fand es grausam, daß Anne die Tochter Königin Katherines zwang, die Geburt des Kindes mitzuerleben, das sie aus der Erbfolge verdrängen würde. Ich warf ihr ein kleines Lächeln zu, als ich an ihr vorüberging, und sie antwortete mit einem seltsamen, halbherzigen Knicks.
    Annes Zimmer war ein Vorraum der Hölle. Man hatte Seile an den Bettpfosten befestigt, und Anne klammerte sich daran wie eine Ertrinkende. Die Laken waren blutverschmiert, und die Hebammen erhitzten am Feuer für sie Warmbier mit Gewürzen. Anne war von der Taille abwärts nackt. Sie schwitzte und kreischte vor Angst. Zwei Hofdamen lasen ängstlich murmelnd Gebete. Ab und zu, wenn die Schmerzen wieder einsetzten, schrie Anne auf.
    »Sie muß lockerlassen«, erklärte mir eine Hebamme. »Sie kämpft zu sehr dagegen an.«
    Ich trat ans Bett. »Anne, sei ganz ruhig«, sagte ich. »Es dauert noch Stunden.«
    »Du bist es, nicht?« fragte sie und warf ihr Haar zurück. »Bist schließlich doch aufgestanden, was?«
    »Ich bin gekommen, sobald man mich gerufen hat. Kann ich irgend etwas für dich tun?«
    |505| »Ja, du kannst das hier für mich machen«, antwortete sie scharfzüngig wie immer.
    Ich lachte. »Doch ich nicht!«
    Sie streckte mir die Hand hin und umklammerte die meine. »Gott steh mir bei! Ich habe so schreckliche Angst!« flüsterte sie.
    »Gott wird dir beistehen«, sagte ich. »Du schenkst einem Prinzen der Christenheit das Leben, oder nicht? Du gebierst einen Jungen, der einmal Oberhaupt der englischen Kirche wird, oder nicht?«
    »Verlaß mich nicht«, flehte sie. »Ich könnte spucken vor Angst.«
    »Oh, du wirst schon noch spucken«, tröstete ich sie fröhlich. »Es wird noch viel schlimmer, ehe es besser wird.«
     
    Anne lag noch den ganzen Tag in den Wehen. Dann folgten die Schmerzen immer rascher aufeinander, und wir wußten, daß das Kind kam. Anne hörte auf, dagegen anzukämpfen, wurde verwirrt und geistesabwesend, und ihr Körper erledigte die Arbeit für sie. Ich hielt sie, und die Hebamme breitete das Tuch für das Kind aus und stieß dann einen Freudenschrei aus, als der Kopf aus Annes verkrampftem Körper auftauchte und schließlich das ganze Kind herausglitt. »Gott sei gepriesen«, sagte die Frau.
    Sie saugte am Mund des Kindes, und bald hörten wir einen erstickten kleinen Schrei. Anne und ich reckten die Hälse, um das Kind zu sehen.
    »Ist es ein Prinz?« keuchte Anne mit heiserer Stimme. »Er soll Prinz Edward Henry heißen.«
    »Es ist ein Mädchen«, erklärte die Hebamme betont fröhlich.
    Ich spürte Annes ganzes Gewicht, als sie enttäuscht in meine Arme sank. Ich flüsterte: »O Gott, nein!«
    »Ein Mädchen«, wiederholte die Hebamme. »Ein starkes, gesundes Mädchen«, als wollte sie uns in unserer Enttäuschung trösten.
    Einen Augenblick lang glaubte ich, daß Anne ohnmächtig |506| geworden war. Sie war totenbleich. Ich legte sie vorsichtig auf die Kissen zurück und strich ihr das Haar aus der schweißnassen Stirn. »Ein Mädchen.«
    »Das Kind lebt, das ist das wichtigste«, sagte ich und versuchte gegen meine eigene Verzweiflung anzukämpfen.
    Die Hebamme wickelte den Säugling in eine Windel und tätschelte ihn. Anne und ich wandten erstaunt unsere Köpfe, als wir das durchdringende Schreien hörten.
    »Ein Mädchen«, flüsterte Anne. »Ein Mädchen. Was nützt uns ein Mädchen?«
     
    Das gleiche sagte George, als ich es ihm berichtete. Onkel Howard fluchte laut und nannte mich eine nutzlose Schlampe und meine Schwester eine dumme Hure, als ich ihm die Nachricht überbrachte. Die Geschicke der Familie hatten von dieser Geburt abgehangen. Hätte Anne einem Jungen das Leben geschenkt, so wären wir die mächtigste Familie Englands gewesen und hätten auf immer einen Anspruch auf den Thron besessen. Aber sie hatte ein Mädchen geboren.
    Henry, immer ganz König und stets unberechenbar, beklagte sich nicht. Er nahm das Kind auf den Schoß. Er pries seine blauen Augen und den starken, gedrungenen Körper. Er bewunderte die kleinen Händchen, die Grübchen an den Fingern, die winzigen, vollkommenen Fingernägel. Er erklärte Anne, das nächste Mal würden sie einen Jungen bekommen, und er wäre froh, noch eine kleine Prinzessin in seinem Haushalt zu haben, und dazu eine so vollkommene. Er ordnete an, die Briefe, mit denen man die Geburt eines Prinzen

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