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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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das Land. Die Armen waren gekommen, um sich das Turnier anzusehen, waren geblieben, um dem Hof beim Essen zuzuschauen, und versammelten sich |58| nun an der Küchentür, um etwas von den Resten des Festmahls zu ergattern.
    Genau deshalb war eine gute Position bei Hof eine solche Freude. Jeder Bedienstete konnte immer und überall mit kleinen Betrügereien ein wenig für sich auf die Seite schaffen. Selbst die niedrigste Küchenmagd trieb noch schwunghaften Handel mit Pastetenkrusten, mit Bratenschmalz, mit dem Saft der Bratensoßen. Und ganz oben auf diesem Haufen der übriggebliebenen Brocken hockte mein Vater als Haushaltsvorstand des Königs: Er beobachtete, was jeder in seinem Verantwortungsbereich für sich beiseite schaffte, und sorgte dafür, daß auch er seinen Anteil davon bekam. Sogar manche Hofdame, die scheinbar allein bei Hof weilte, um der Königin Gesellschaft zu leisten und kleine Dienste für sie zu verrichten, nutzte diese Stellung nur als gute Ausgangsposition, um den König vor der Nase ihrer Herrin zu verführen.
    Auf dem Heimritt verblaßte bereits das Licht des Himmels, und es wurde grau und kühl. Ich war froh über meinen Umhang, in den ich mich fest hüllte. Die Kapuze setzte ich noch nicht auf, um den Weg und die Sterne, die wie kleine Nadelstiche am blaßgrauen Himmel auftauchten, besser sehen zu können. Wir hatten bereits die halbe Wegstrecke zurückgelegt, als das Pferd des Königs mit meinem gleichzog.
    »Habt Ihr den Tag genossen?« fragte er.
    »Ihr habt mein Halstuch fallen lassen«, schmollte ich. »Euer Page gab es Königin Mary, und die wiederum Königin Katherine. Sie wußte sofort alles. Sie hat mir das Tuch zurückgegeben.«
    »Und?«
    Ich hätte an die vielen kleinen Erniedrigungen denken sollen, mit denen sich Königin Katherine abfand. Sie trug ihren Kummer zu Gott, und selbst das tat sie nur in einem sehr leise geflüsterten Gebet.
    »Es war entsetzlich für mich«, sagte ich. »Ich hätte Euch das Tuch niemals geben dürfen.«
    »Nun, jetzt habt Ihr es ja wieder«, erwiderte er völlig ungerührt. »Wenn es Euch so kostbar war.«
    |59| »Darum geht es nicht«, beharrte ich. »Es geht darum, daß die Königin zweifellos wußte, daß es mir gehörte. Sie hat es mir vor allen anderen Damen zurückgegeben. Sie hat es fallen lassen, und es wäre auf dem Boden gelandet, wenn ich es nicht aufgefangen hätte.«
    »Und was ändert das?« wollte er wissen. Seine Stimme klang hart, und sein Gesicht war plötzlich häßlich, das Lächeln wie weggefegt. »Worin liegt die Schwierigkeit? Sie hat uns zusammen tanzen und reden sehen. Sie hat gesehen, daß ich Eure Gesellschaft suche. Ihr standet Hand in Hand mit mir vor ihren Augen. Damals kamen keine Beschwerden und Nörgeleien von Eurer Seite.«
    »Ich nörgle nicht!« protestierte ich, zutiefst getroffen.
    »O doch«, erwiderte er barsch. »Noch dazu ohne Grund und, mit Verlaub, auch ohne jegliches Recht. Ihr seid weder meine Mätresse, Gnädigste, noch meine Ehefrau. Und niemand sonst hat sich über mein Benehmen zu beschweren. Wenn Ihr keinen Gefallen an meinem Verhalten findet, dann wäre da ja immer noch Frankreich. Ihr könntet an den französischen Hof zurückgehen.«
    »Majestät … Ich …«
    Er gab seinem Pferd die Sporen, und es fiel in Trab und dann in einen leichten Galopp. »Ich wünsche Euch eine gute Nacht«, warf er mir noch über die Schulter hinweg zu und ritt mit wirbelndem Umhang und flatternder Hutfeder von mir fort. Mir blieben die Worte im Hals stecken.
     
    An jenem Abend wollte ich nicht mit Anne sprechen, obwohl sie mich schweigend von den Gemächern der Königin in unser Zimmer führte und von mir erschöpfende Auskunft über alles Geschehene erwartete.
    »Ich sage nichts«, erwiderte ich störrisch. »Laß mich in Ruhe.«
    Anne nahm die Haube vom Kopf und begann ihre Flechten zu lösen. Ich sprang aufs Bett, riß mir das Kleid vom Leib, zog mein Nachthemd über und schlüpfte zwischen die Laken, ohne mir das Haar zu bürsten oder das Gesicht zu waschen. |60| »Du willst doch sicher nicht so zu Bett gehen«, tadelte
    Anne mich entsetzt.
    »Um Gottes willen«, sagte ich zu meinem Kopfkissen, »laß mich in Ruhe.«
    »Was hat er …?« begann Anne, als sie neben mir ins Bett schlüpfte.
    »Ich sage nichts. Frag also nicht.«
    Sie nickte, drehte sich um und blies die Kerze aus.
    In der Dunkelheit, die mich vor Annes prüfendem Blick schützte, drehte ich mich auf den Rücken, starrte an den Betthimmel und

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