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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Schläge einstecken müssen.«
    Henry schaute sie an. Sie hielt seinem Blick stand. Ich sah, wie ihr unter seinem eiskalten Starren das Lächeln auf dem Gesicht gefror. Sie war zu alt und zu klug, um einen wütenden Mann danach zu fragen, was ihn bekümmerte. Statt dessen lächelte sie beherzt und liebenswürdig und trank ihm zu.
    »Auf Euer Wohl, Henry«, sagte sie mit warmer Stimme. »Ich danke Gott, daß heute nicht Ihr der Verwundete wart. Schon oft war ich es, die vom Zelt zu den Turnierschranken eilte und deren Herz sorgenschwer war. Eure Schwester tut mir leid, aber ich muß froh sein, daß heute nicht Ihr verwundet wurdet.«
    |56| »Das«, flüsterte mir Anne ins Ohr, »
das
war ein meisterlicher Schachzug.«
    Er verfehlte nicht seine Wirkung. Der Gedanke, eine Frau könnte krank vor Sorgen um ihn sein, betörte Henry, und sein finsterer Blick hellte sich auf. »Es läge mir fern, Euch jemals auch nur einen Augenblick der Unruhe bereiten zu wollen.«
    »Mein lieber Mann, Ihr habt mir bereits ganze Tage und Nächte der Unruhe bereitet«, erwiderte Königin Katherine lächelnd. »Doch solange Ihr nur wohlauf und glücklich seid und solange Ihr schließlich wieder nach Hause zurückkehrt, warum sollte ich da klagen?«
    »Aha«, murmelte Anne leise. »Sie erteilt ihm also gnädig die Erlaubnis, und dir nimmt sie jeden Stachel.«
    »Was meinst du damit?« fragte ich.
    »Wach doch endlich auf«, herrschte Anne mich an. »Begreifst du denn nicht? Sie hat ihn von seiner schlechten Laune erlöst und ihm mitgeteilt, daß er dich haben kann, wenn er nur hinterher artig wieder nach Hause kommt.«
    Ich beobachtete den König, wie er sein Glas erhob und ihr seinerseits zutrank.
    »Und was geschieht jetzt?« fragte ich. »Da du doch alles weißt?«
    »Oh, du wirst eine Weile seine Favoritin sein«, sagte sie leichthin. »Aber zwischen die beiden drängen kannst du dich nicht. Du wirst ihn nicht halten können. Sie ist alt, das gebe ich dir gern zu. Aber sie kann ihm das Gefühl vermitteln, als betete sie ihn an, und das braucht er. Als er noch kaum der Kinderstube entwachsen war, da war sie die schönste Frau im ganzen Königreich. Es wird einer gewaltigen Anstrengung bedürfen, um das zu überwinden. Ich bezweifle, daß du das Zeug dazu hast. Du bist recht hübsch und in ihn vergafft. Das hilft, aber ich bezweifle, ob eine Frau wie du ihn beherrschen könnte.«
    »Und wer könnte es dann?« fragte ich, zutiefst getroffen, weil sie mich so abtat. »Du wohl?«
    Anne musterte das Königspaar wie ein Belagerungsingenieur, der eine Verteidigungsschanze taxiert. Auf ihrem Gesicht spiegelten |57| sich Neugier und kompetente Kennerschaft. »Ja, ich könnte es schaffen«, sagte sie. »Aber leicht wäre es nicht.«
    »Aber er will mich, nicht dich«, erinnerte ich sie. »Mich hat er um eine Gunstbezeigung gebeten. Und mein Halstuch hat er unter dem Brustharnisch getragen.«
    »Und fallen lassen und vergessen«, bemerkte Anne mit ihrer üblichen grausamen Präzision. »Es geht auch überhaupt nicht darum, was er will. Er ist gierig und verwöhnt. Man könnte ihn dazu bringen, beinahe alles zu wollen. Aber du würdest das niemals schaffen.«
    »Und warum sollte mir das nicht gelingen?« fragte ich leidenschaftlich. »Wieso glaubst du, daß du ihn halten könntest und ich nicht?«
    Anne sah mich mit ihrem vollkommenen, ebenmäßigen Gesicht an, das wunderschön war, wie aus Eis gemeißelt. »Weil eine Frau, die ihn beherrschen will, keinen Augenblick vergessen darf, daß sie nur aus taktischen Gründen bei ihm ist. Du bist allzu begierig auf die Freuden von Tisch und Bett. Doch eine Frau, die Henry beherrschen will, muß wissen, daß es für sie nur ein einziges Vergnügen geben darf: seine Gedanken zu beherrschen, in jeder einzelnen Minute des Tages. Diese Ehe würde nicht aus Sinnenlust geschlossen, obwohl Henry das sicherlich glauben würde. Nein, es würde dabei vielmehr nur um geschickte Taktik gehen, immer und überall.«
     
    An jenem kühlen Aprilabend war das Abendessen gegen fünf Uhr zu Ende. Man führte die Pferde vor das Haus, damit wir nach dem Abschied von unserem Gastgeber aufsitzen und zum Eltham Palace zurückreiten konnten. Als wir uns vom Bankett erhoben, sah ich, wie die Diener die übriggebliebenen Brote und Fleischspeisen in große Körbe kippten, um sie an der Küchentür für billiges Geld zu verkaufen. Wenn der König reiste, zog sich hinter ihm eine breite Spur von Extravaganz, Betrug und Verschwendung durch

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