Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
Blumen, Kräutern und Gemüsepflanzen. Wilde Bohnen rankten sich, Weißdornhecken blühten, hier und da war ein Teil des Gartens für ein Schwein abgezäunt, und auf dem Misthaufen vor der Hintertür krähte ein Hahn. Mein Vater ritt in zufriedenem Schweigen. Als wir unser |65| eigenes Land erreichten, trabten wir den Berg hinab, durch Edenbridge und quer durch die feuchten Wiesen auf Hever zu. Die Pferde verlangsamten ihren Schritt, als der Boden auf dem feuchten Pfad schwerer gängig wurde, aber nun, da wir uns unserem Gut näherten, bewies mein Vater Geduld.
Das Haus hatte schon seinem Vater gehört. Weiter reichte es jedoch nicht in der Familie zurück. Mein Großvater war ein Mann von bescheidenem Vermögen gewesen, der sich in Norfolk durch eigenes Geschick emporgearbeitet hatte, bei einem Textilhändler in die Lehre gegangen war und es dann schließlich zum Bürgermeister von London gebracht hatte. Sosehr wir uns an unsere Verbindung zu den Howards klammerten, so war sie doch erst durch meine Mutter zustande gekommen. Sie war Elizabeth Howard gewesen, Tochter des Herzogs von Norfolk und eine hervorragende Partie für meinen Vater. Er hatte sie erst in unser großartiges Herrenhaus in Rochford in Essex gebracht und dann nach Hever, wo sie entsetzt war, wie klein die Burg, wie winzig die gemütlichen Privatgemächer waren.
Sofort hatte er sich daran gemacht, das Haus nach ihren Wünschen umzubauen. Zuerst ließ er eine Decke in den großen Saal einziehen, der bisher bis zum Dachgebälk offen gewesen war. In dem so abgetrennten Raum wurden Privatgemächer eingerichtet, wo wir speisen und uns in größerer Bequemlichkeit zurückziehen konnten.
Mein Vater und ich bogen durch das Parktor ein. Der Torwächter und seine Frau kamen aus ihrem Haus gestürzt und verneigten sich. Wir winkten ihnen zu, folgten dem Lehmpfad und überquerten auf einer kleinen Holzbrücke den ersten Fluß. Meine Stute scheute beim hohlen Klang ihrer Hufschläge auf dem Holz.
»Närrin«, schalt mein Vater, und ich überlegte, ob er damit mich oder meine Stute meinte. Dann überholte er mich mit seinem Jagdpferd und trieb es über die Brücke. Meine Stute folgte willig, als sie begriffen hatte, daß ihr hier keine Gefahr drohte. So ritt ich hinter meinem Vater über die Holzbrücke der Burg und wartete. Unsere Leute kamen aus dem Wachraum, nahmen |66| uns die Pferde ab und führten sie in die hinter der Burg gelegenen Ställe. Nach dem langen Ritt waren meine Beine ganz schwach, doch ich folgte meinem Vater über die Zugbrücke in den Schatten des Torhauses und unter den furchteinflößenden dicken Zacken des Fallgatters hindurch auf den freundlichen kleinen Burghof.
Die vordere Tür der Burg stand offen, und der Oberhofmeister und die verschiedenen Haushaltsvorsteher kamen heraus und verneigten sich vor meinem Vater, gefolgt von einem halben Dutzend Bediensteter. Mein Vater ließ den Blick über die Leute schweifen: Einige trugen volle Livree, andere nicht, zwei Mägde banden sich gerade noch hastig die Sackleinwand ab, die sie zum Schutz über ihren guten Schürzen hatten. Irgendwo in einer Ecke des Hofes lungerte völlig verdreckt und verkrustet, halb nackt in seinen Lumpen, der Küchenjunge herum. Mein Vater betrachtete die allgemeine Unordnung und Vernachlässigung und nickte seinen Leuten zu.
»Nun gut«, sagte er vorsichtig. »Das ist meine Tochter Mary. Mistress Mary Carey. Habt Ihr Zimmer für uns vorbereitet?«
»O ja, Sir.« Der Vorsteher der Schlafgemächer verbeugte sich. »Es ist alles bereit. Das Gemach für Mistress Carey ist bereit.«
»Und Abendessen?« fragte mein Vater.
»Sofort.«
»Wir speisen heute in den Privatgemächern. Morgen esse ich im großen Saal, und die Leute können kommen und mit mir sprechen. Sagt ihnen, daß wir morgen öffentlich dinieren. Heute abend möchte ich jedoch nicht gestört werden.«
Eines der Mädchen trat vor und knickste vor mir. »Soll ich Euch Euer Gemach zeigen, Mistress Carey?« fragte sie.
Ich folgte ihr, nachdem mein Vater zustimmend genickt hatte. Wir gingen durch die breite Eingangstür und wandten uns dann in einem schmalen Flur nach links. Am anderen Ende führte eine winzige steinerne Wendeltreppe in ein hübsches Zimmer, in dem ein kleines Bett mit blauen Seidenvorhängen stand. Durch die Fenster blickte man über den Burggraben auf den Park. Eine Tür führte auf eine kleine Galerie |67| mit einem steinernen Kamin, das Lieblingszimmer meiner Mutter.
»Möchtet Ihr
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