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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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überlegte, was wohl geschehen würde, wenn der König nun so zornig war, daß er mich nie wieder ansehen würde.
    Mein Gesicht war kalt. Als ich meine Wangen betastete, merkte ich, daß sie tränenfeucht waren. Ich wischte mir mit dem Laken übers Gesicht.
    »Was ist denn jetzt schon wieder?« fragte Anne schläfrig. »Nichts«, erwiderte ich.
     
    »Du hast ihn verloren«, beschuldigte mich Onkel Howard. Er blickte mich im Speisesaal von Eltham Palace über den langen hölzernen Eßtisch hinweg an. Hinter uns standen vor der Tür unsere Gefolgsleute Wache. Im Saal war sonst niemand, außer ein paar Wolfshunden und einem Jungen, der in der Asche des Feuers schlief. Auch am anderen Ende des Saals standen an den Türen Leute in der Livree der Howards. Der Palast, der Palast des Königs, war so abgesichert, daß wir Howards dort heimlich und ungestört unsere Pläne schmieden konnten.
    »Du hattest ihn in der Hand und hast ihn doch verloren. Was hast du verkehrt gemacht?«
    Ich schüttelte den Kopf. Das alles war zu geheim, als daß ich es hier ausbreiten, in Onkel Howards versteinertes Antlitz sagen wollte.
    »Ich verlange eine Antwort«, beharrte er. »Du hast ihn verloren. Seit einer Woche hat er dich nicht mehr angeschaut. Was hast du verkehrt gemacht?«
    »Nichts«, flüsterte ich.
    |61| »Es muß doch irgend etwas gewesen sein. Beim Turnier trug er dein Halstuch im Brustharnisch. Danach mußt du ihn mit irgend etwas verärgert haben.«
    Ich warf meinem Bruder George einen vorwurfsvollen Blick zu: Nur er konnte Onkel Howard von dem Halstuch erzählt haben. Er zuckte die Achseln und zog eine entschuldigende Grimasse.
    »Der König hat mein Tuch fallen lassen, und sein Page hat es Königin Mary gegeben«, antwortete ich. Mir war der Hals vor Angst wie zugeschnürt.
    »Und?« fuhr mein Vater barsch dazwischen.
    »Sie gab es der Königin, und die reichte es mir zurück.« Ich schaute von einem strengen Gesicht ins andere. »Alle wußten, was das zu bedeuten hatte«, fügte ich verzweifelt hinzu. »Auf dem Heimritt habe ich ihm gesagt, wie unglücklich ich war, weil er zugelassen hatte, daß man meinen Gunstbeweis fand.«
    Onkel Howard schnaufte, mein Vater hieb mit der flachen Hand auf den Tisch. Meine Mutter wandte den Kopf ab, als könne sie meinen Anblick kaum noch ertragen.
    »Um Gottes willen!« Onkel Howard funkelte meine Mutter wütend an. »Ihr habt mir doch versichert, daß sie eine angemessene Erziehung genossen hat. Sie hat ihr halbes Leben am französischen Hof verbracht und jammert doch herum wie ein im Heu verführtes Schäfermädchen!«
    »Wie konntest du nur?« fragte meine Mutter mich schlicht.
    Ich errötete und ließ den Kopf hängen. »Ich wollte doch nichts Verkehrtes tun«, flüsterte ich. »Es tut mir leid.«
    »So schlimm ist es nun auch wieder nicht«, warf George ein. »Ihr seht die Sache zu düster. Er bleibt nie lange wütend.«
    »Er schmollt wie ein Bär«, herrschte ihn mein Onkel an. »Vielleicht tanzen jetzt gerade die Seymour-Mädchen für ihn?«
    »Keine ist so hübsch wie Mary«, behauptete mein Bruder standhaft. »Er vergißt sicher bald, daß sie je ein falsches Wort gesagt hat. Vielleicht mag er sie dafür nur um so lieber. Denn es beweist ja, daß sie nicht dressiert ist, daß echte Leidenschaft im Spiel ist.«
    |62| Mein Vater nickte ein wenig versöhnt, aber mein Onkel trommelte immer noch mit seinen langen Fingern auf den Tisch. »Was sollen wir also machen?«
    »Schickt sie weg«, mischte sich unvermittelt Anne ein. Sofort richteten alle ihre Aufmerksamkeit auf sie, ihre selbstbewußte Stimme fesselte alle.
    »Weg?« fragte Onkel Howard.
    »Ja. Schickt sie nach Hever. Sagt ihm, sie sei krank. Laßt ihn glauben, daß sie sich vor Gram verzehrt.«
    »Und dann?«
    »Dann wird er sie zurückhaben wollen. Sie wird ihm vorschreiben können, was immer sie will. Und dann« – Anne warf mir ein verächtliches kleines Lächeln zu –, »dann, wenn sie wiederkommt, muß sie sich nur noch so gut benehmen, daß sie den gebildetsten, geistreichsten und schönsten Fürsten der Christenheit bezaubert. Meint Ihr, das schafft sie?«
    Es herrschte eisiges Schweigen, während meine Mutter, mein Vater und mein Onkel Howard, ja sogar mein Bruder George mich stumm musterten.
    »Ich glaube es auch nicht«, sagte Anne selbstgefällig. »Aber ich kann sie so gut unterweisen, daß sie ihn in ihr Bett lockt. Was immer danach geschieht, liegt in Gottes Hand.«
    Onkel Howard sah Anne durchdringend an.

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