Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
Neuigkeiten darüber, welche Anklage man gegen Mark Smeaton erhoben hatte. Wieder legte sich die Last der Furcht schwer auf uns.
Ich schickte einen Boten zur Amme meines Kindes, sie solle sich bereithalten, wir würden innerhalb der nächsten Stunde abreisen.
Ein Tenniswettbewerb sollte stattfinden, und Anne hatte versprochen, den Preis zu überreichen. Sie ging zu den Plätzen hinunter und setzte sich unter den Baldachin.
|657| Ich stand hinter ihr und hielt Ausschau nach dem Stalljungen, der mir berichten sollte, daß die Pferde bereit waren. Catherine neben mir wartete nur auf ein Wort von mir, um auf ihr Zimmer zu rennen und ihr Reitkleid anzulegen, als hinter mir zwei Soldaten mit einem Offizier in die königliche Loge traten. Kaum hatte ich sie gesehen, da erfüllte mich eine böse Vorahnung. Ich machte den Mund auf, um zu sprechen, aber es kam kein Laut heraus. Stumm berührte ich Anne an der Schulter. Sie blickte zu mir auf, dann in die harten Gesichter der drei Männer.
Sie verneigten sich nicht, wie sie das hätten tun sollen. Das bestätigte unsere schlimmsten Befürchtungen.
»Der Staatsrat fordert Eure Anwesenheit, Majestät«, sagte der Offizier knapp.
Anne sagte nur »Oh« und erhob sich. Sie schaute zu Catherine und mir, blickte reihum ihre Damen an. Plötzlich wandten alle die Augen ab, wollten ihr bloß nicht ins Gesicht sehen, waren vom Tennisspiel fasziniert. Das hatten sie von Anne gelernt: Ihr Köpfe bewegten sich nach rechts und nach links, folgten dem Ball, während ihre Augen blind waren, sie ihre Ohren gespitzt hielten und ihre Herzen pochten, weil sie fürchteten, sie könnte sie bitten mitzukommen.
»Ich brauche Begleiterinnen«, sagte Anne tonlos. Nicht eines der kleinen Biester schaute zu ihr hin. »Eine Hofdame muß mit mir kommen.« Ihre Augen fielen auf Catherine.
»Nein«, fuhr ich plötzlich dazwischen, als ich begriff, was sie vorhatte. »Nein, Anne. Nein. Ich flehe dich an.«
»Ich darf eine Begleitung mitnehmen?« fragte sie den Hauptmann.
»Ja, Majestät.«
»Ich entscheide mich für meine Hofdame Catherine«, sagte sie, dann ging sie ruhig durch das Tor, das ihr einer der Soldaten aufhielt. Catherine warf mir einen verwirrten Blick zu und folgte der Königin.
»Catherine«, sagte ich in scharfem Ton.
Sie blickte sich zu mir um, wußte nicht, was sie machen sollte, das arme Mädchen.
|658| »Komm schon«, sagte Anne mit völlig ausdrucksloser Stimme. Catherine warf mir ein kleines Lächeln zu.
»Sei unverdrossen«, sagte sie plötzlich seltsamerweise, als spielte sie eine Rolle in einem Theaterstück. Dann folgte sie der Königin mit der vollendeten Haltung einer Prinzessin.
Ich war zu entsetzt, um irgend etwas anderes zu tun, als ihnen hinterherzuschauen. Doch sobald sie mir aus den Augen waren, raffte ich meine Röcke hoch und rannte den Weg zum Palast hinauf, um George oder meinen Vater zu suchen, irgend jemanden, der Anne helfen, der ihr Catherine wegnehmen und das Mädchen sicher zu mir zurückbringen konnte.
Ich lief in den Großen Saal. Plötzlich hielt mich ein Mann auf. Ich schob ihn zur Seite, ehe ich merkte, daß es der einzige war, den ich herbeisehnte. »William!«
»Liebste! Meine Liebste! Du weißt es also?«
»O Gott, William. Sie haben Catherine mitgenommen! Sie haben mein Mädchen!«
»Catherine verhaftet? Mit welcher Begründung?«
»Nein! Sie ist bei Anne. Als Hofdame. Anne wurde vor den Staatsrat befohlen.«
»In London?«
»Nein. Er tagt hier.«
Er ließ mich sofort los, fluchte kurz, ging ein halbes Dutzend Schritte im Kreis, dann packte er mich bei den Händen. »Wir müssen einfach warten, bis sie wieder herauskommt.« Er musterte mein Gesicht. »Schau nicht so, Mary. Catherine ist ein junges Mädchen. Sie befragen die Königin, nicht sie. Sie reden wahrscheinlich nicht einmal mit ihr, und wenn, dann hat sie nichts zu verbergen.«
Ich holte tief Luft und nickte. »Nein, sie hat nichts zu verbergen. Sie hat nichts gesehen, was nicht allgemein bekannt wäre. Wo ist Henry?«
»In Sicherheit. Ich habe ihn in unserer Unterkunft zurückgelassen, zusammen mit der Amme und der Kleinen. Ich dachte, du kämst wegen deines Bruders gerannt.«
»Was ist mit ihm?« fragte ich mit heftig pochendem Herzen. »Was ist mit George?«
|659| »Sie haben ihn verhaftet.«
»Zusammen mit Anne?« meinte ich. »Damit er dem Staatsrat Rede und Antwort steht?«
Williams Miene war finster. »Nein«, antwortete er. »Sie haben ihn in den Tower gebracht.
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