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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Brust gebunden. Dann verließen wir leise den Palast und ritten davon in Richtung London, ohne irgend jemandem zu sagen, wohin wir wollten oder wie lange wir fortbleiben würden.
    William mietete für uns Räume hinter der Minories-Straße an, auf der dem Fluß abgewandten Seite. Ich konnte den Beauchamp Tower sehen, wo Anne und meine Tochter gefangen saßen. Mein Bruder und die anderen Männer waren irgendwo in der Nähe. In diesem Turm hatte Anne die Nacht vor ihrer Krönung verbracht. Ich fragte mich, ob sie sich an das großartige Gewand erinnerte, das sie damals getragen hatte, und an das Schweigen der Stadt, das ihr klargemacht hatte, daß sie als Königin niemals vom Volk geliebt werden würde.
    William bat die Hausfrau, uns ein Abendessen zu bereiten, und ging fort, um Neuigkeiten einzuholen. Er kam rechtzeitig zum Essen zurück, und als die Frau serviert und sich zurückgezogen hatte, erzählte er mir, was er in Erfahrung gebracht hatte. In den Gasthäusern rings um den Tower machte die Nachricht die Runde, daß man die Königin verhaftet hatte und daß man sie des Ehebruchs und der Hexerei und Gott weiß wessen sonst noch bezichtigte.
    Damit war Annes Schicksal besiegelt. Henry benutzte die Macht der Gerüchte, die Stimme des Mobs, um so den Weg dafür zu ebnen, daß er die Ehe für ungültig erklären und sich |662| eine neue Königin nehmen konnte. Man munkelte in den Gasthöfen bereits, daß der König sich wieder verliebt hatte, diesmal in ein wunderschönes, unschuldiges Mädchen, ein englisches Mädchen aus Wiltshire, Gott segne sie, und so gottesfürchtig und liebreizend, wie Anne übermäßig gebildet und von den Franzosen beeinflußt war. Von irgendwo hatte jemand erfahren, daß Jane Seymour eine enge Freundin von Prinzessin Mary war. Sie hatte Königin Katherine stets treu gedient. Sie betete noch auf die alte Weise, und sie las keine Bücher mit Disputationen oder versuchte mit Männern zu argumentieren, die es doch besser wissen mußten. Ihre Familie war kein geldgieriger Adel, es waren ehrliche, aufrichtige Männer. Und es war eine fruchtbare Familie. Es konnte kein Zweifel bestehen, daß Jane Seymour Söhne gebären würde, während Katherine und Anne versagt hatten.
    »Und mein Bruder?«
    William schüttelte den Kopf. »Keine Neuigkeiten.«
    Ich schloß die Augen. Ich konnte mir eine Welt nicht vorstellen, in der George nicht kommen und gehen konnte, wie es ihm beliebte. Wer konnte George anklagen? Wer konnte ihm irgend etwas zur Last legen, so freundlich und unentschlossen, wie er war?
    »Und wer bedient Anne?« fragte ich.
    »Eure Tante, die Mutter von Madge Shelton, und ein, zwei andere Damen.«
    Ich zog eine Grimasse. »Niemand, den sie mag oder dem sie vertraut. Aber zumindest kann sie jetzt Catherine wieder gehen lassen. Sie ist nicht mehr allein.«
    »Ich dachte, du könntest ihr vielleicht schreiben. Sie darf Briefe empfangen, wenn diese nicht versiegelt sind. Ich gebe dein Schreiben William Kingston, dem Kommandanten des Tower, und bitte ihn, es ihr zu überbringen.«
    Ich rannte die schmale Treppe zur Hausfrau hinunter und bat sie um Papier und Feder. Sie ließ mich ihr Schreibpult benutzen und zündete mir eine Kerze an, während ich mich im letzten Licht des Tages ans Fenster setzte.
     
    |663|
Liebe Anne,
    Ich weiß, daß Du inzwischen von anderen Damen bedient wirst. Bitte entlasse also Catherine aus Deinen Diensten, da ich sie hier bei mir brauche.
    Ich bitte Dich, sie jetzt gehen zu lassen.
    Mary
     
    Ich ließ ein wenig Wachs von der Kerze auf den Brief tropfen und drückte meinen Siegelring hinein, um das »B« für Boleyn zu prägen. Aber ich versiegelte das Schreiben nicht und reichte es William.
    »Gut«, sagte er, nachdem er es überflogen hatte. »Ich schaffe es gleich hin. Niemand kann vermuten, daß du etwas anderes meinst, als was da steht. Ich warte auf Antwort. Vielleicht bringe ich sie gleich mit, und wir können schon morgen nach Rochford aufbrechen.«
    Ich nickte. »Ich warte auf dich.«
    Henry und ich setzten uns auf zwei Holzschemel an den wackeligen Tisch vor dem kleinen Feuer und spielten Karten. Ich gewann Henry sein ganzes Taschengeld ab. Dann schummelte ich ein bißchen, um ihn etwas zurückgewinnen zu lassen, verkalkulierte mich und war im Nu bankrott. Immer noch war William nicht wieder da.
    Um Mitternacht kam er. »Es tut mir leid, daß ich so lange gebraucht habe«, sagte er, als er mein bleiches Gesicht sah. »Ich habe sie nicht mitgebracht.«
    Ich

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