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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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konnte genausowenig leugnen, daß er der König war, wie ich leugnen konnte, daß ich eine Howard war. »Wenn Ihr ein Niemand wärt und ich ein Niemand, dann würde ich Euch lieben«, flüsterte ich. »Wenn Ihr ein Bauer mit einem Hopfenfeld wärt, würde ich Euch lieben. Wenn ich ein Mädchen wäre, das zur Hopfenernte kommt, würdet Ihr mich dann lieben?«
    Er zog mich näher an sich heran, seine Hände lagen warm auf meinem Mieder. »Das würde ich«, beteuerte er. »Ich würde Euch überall als meine wahre Liebe erkennen. Wer ich auch immer wäre und wer Ihr auch immer wäret, ich würde Euch sofort als meine wahre Liebe erkennen.«
    Sein Kopf neigte sich zu mir herab, und er küßte mich, zuerst sanft, dann wilder, heißer. Schließlich führte er mich an der Hand zum Himmelbett und legte mich darauf, vergrub den Kopf in der schwellenden Rundung meiner Brüste, die sich über dem Mieder wölbten, das Anne freundlicherweise für ihn gelockert hatte.
     
    Im Morgengrauen stützte ich mich auf den Ellbogen und blickte durch die bleiverglasten Scheiben des Fensters auf den langsam heller werdenden Himmel. Mir war klar, daß auch Anne den anbrechenden Tag beobachten würde und daß sie nun wußte, daß ihre Schwester die Mätresse des Königs und die wichtigste Frau in ganz England war, daß ich hinter niemandem als nur der Königin zurückstand. Ich fragte mich, was sie sich wohl in diesem Augenblick dachte. Ich fragte mich, wie sie sich wohl fühlte, da sie wußte, daß der König mich auserwählt hatte, daß auf mir die ehrgeizige Hoffnung der Familie ruhte. Daß ich und nicht sie in seinem Bett lag.
    Eigentlich wußte ich es ganz genau. Sie würde jene verwirrende Mischung von Gefühlen verspüren, die auch sie immer in mir erregt hatte: Bewunderung und Neid, Stolz und wütende Rivalität, das Verlangen, den Erfolg der geliebten Schwester mitzuerleben, und das leidenschaftliche Begehren, die Rivalin stürzen zu sehen.
    |89| Der König regte sich. »Seid Ihr wach?« erkundigte er sich, halb unter der Decke verborgen.
    »Ja«, antwortete ich, sofort munter. Ich fragte mich, ob ich nun gehen sollte, aber dann tauchte er lächelnd aus den wirren Laken auf.
    »Guten Morgen, mein Herz«, begrüßte er mich. »Geht es Euch gut heute morgen?«
    Ich merkte, daß ich ihn auch anstrahlte, seine Freude widerspiegelte. »Sehr gut geht es mir.«
    »Fröhlich im Herzen?«
    »Glücklicher, als ich es je gewesen bin.«
    »Dann kommt zu mir«, sagte er und breitete die Arme aus. Ich glitt in seine warme, moschusduftende Umarmung, und seine mächtigen Schenkel preßten sich an mich, seine Arme umfingen meine Schulter, sein Gesicht schmiegte sich an meinen Nacken.
    »O Henry«, sagte ich töricht. »Oh, mein Liebster.«
    »Oh, ich weiß«, erwiderte er gewinnend. »Kommt ein wenig näher.«
    Ich verließ ihn erst, als die Sonne schon aufgegangen war. Ich mußte mich beeilen, um mein Zimmer zu erreichen, ehe die Bediensteten kamen.
    Henry selbst half mir in mein Kleid, schnürte mein Mieder auf dem Rücken, legte mir gegen die Kälte des Morgens seinen Umhang über die Schultern. Als er die Tür öffnete, lümmelte sich im Fenstersitz mein Bruder George. Beim Anblick des Königs sprang er auf und verneigte sich, die Kappe in der Hand. Mir warf er ein süßes Lächeln zu.
    »Bringt Mistress Carey zurück in ihr Gemach«, befahl der König. »Und dann schickt bitte den Aufseher des Schlafgemachs zu mir, George. Ich möchte heute früh aufstehen.«
    Mein Bruder verneigte sich erneut und bot mir den Arm.
    »Und kommt nachher mit mir zur Messe«, fügte er noch in der Tür hinzu. »In meine Privatkapelle, George.«
    »Ich danke Euch.« George nahm mit eleganter Geste die großartigste Einladung an, die einem Höfling zuteil werden konnte. Die Tür zum Privatgemach schloß sich, während ich |90| noch im Hofknicks verharrte. Rasch schritten wir durch das Audienzzimmer und den großen Saal.
    Wir waren zu spät unterwegs, um den niedrigsten Dienern aus dem Weg zu gehen, den Jungen, die große Holzscheite in den Saal schleppten und dafür zu sorgen hatten, daß die Kaminfeuer nie erloschen. Andere Buben fegten den Boden, und die Bewaffneten, die da eingeschlafen waren, wo sie ihre Abendmahlzeit eingenommen hatten, schlugen die Augen auf, gähnten und verfluchten den starken Wein.
    Wir eilten die Treppe hinauf in die Gemächer der Königin.
    Anne öffnete die Tür, nachdem George angeklopft hatte, und zog uns ins Zimmer. Ihr Gesicht war blaß

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