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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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vor Müdigkeit, ihre Augen waren rot gerändert. Ich weidete mich an dem köstlichen Anblick meiner Schwester, die von der Eifersucht gequält wurde.
    »Nun?« fragte sie brüsk.
    Ich blickte auf die glatte Bettdecke. »Du hast nicht geschlafen.«
    »Ich konnte nicht«, antwortete sie. »Und ich hoffe, du hast auch sehr wenig geschlafen.«
    Ich zuckte ein wenig vor ihren derben Sprüchen zurück.
    »Komm schon«, sagte George. »Wir wollen nur wissen, ob alles gut gegangen ist, Mary. Vater muß es wissen und Mutter und Onkel Howard. Du gewöhnst dich besser daran, darüber zu reden. Es ist keine Privatsache.«
    »Es ist die privateste Sache der Welt.«
    »Nicht für dich«, antwortete Anne kalt. »Also hör endlich auf, dich zu benehmen wie eine Milchmagd im Frühling. Hat er dich genommen?«
    »Ja«, erwiderte ich knapp.
    »Mehr als einmal?«
    »Ja.«
    »Gott sei gepriesen!« sagte George. »Sie hat es geschafft! Ich muß gehen. Er hat mich gebeten, mit ihm die Messe zu hören.« Er durchquerte das Zimmer und umarmte mich fest. »Gut gemacht. Wir reden später weiter. Ich muß jetzt gehen.«
    Wenig diskret schlug er die Tür hinter sich zu. Anne zischte |91| mißbilligend und wandte sich dann der Truhe zu, in der wir unsere Kleider aufbewahrten.
    »Du ziehst besser das cremeweiße Kleid an«, meinte sie. »Kein Grund, sich wie eine Hure zu kleiden. Ich hole dir heißes Wasser. Du mußt baden.« Sie hob die Hand, als ich protestierte. »O ja, du badest. Und wäschst dir das Haar. Du mußt makellos sein, Mary. Sei nicht so eine faule Schlampe. Und zieh das Kleid aus, schnell. In weniger als einer Stunde müssen wir mit der Königin zur Messe gehen.«
    Ich gehorchte ihr wie immer. »Aber freust du dich denn nicht für mich?« fragte ich, als ich mich mühsam von meinem Mieder und dem Unterrock befreite.
    Ich sah ihr Gesicht im Spiegel, die Eifersucht, die sie übermannte und die beim nächsten Wimpernschlag schon wieder verborgen war. »Ich freue mich für die Familie«, antwortete sie. »An dich denke ich eigentlich kaum.«
     
    Der König saß auf seiner Privatempore, blickte in die Kapelle hinunter und hörte die Matine, als wir Schwestern zum Gemach der Königin gingen, das gleich nebenan lag. Wenn ich angestrengt lauschte, konnte ich das Murmeln des Hofbeamten hören, der dem König Dokumente vorlegte, die dieser überflog und unterzeichnete, während er den Priester unten dabei beobachtete, wie er die vertrauten Rituale der Messe vollzog. Der König erledigte seine Geschäfte stets während des Morgengottesdienstes, darin folgte er seinem Vater. Manche hielten diese morgendlichen Arbeiten deswegen für geheiligt. Andere, unter anderem mein Onkel, meinten, dies zeige lediglich, daß der König seine Geschäfte schnell aus dem Weg haben wolle und daß er ihnen nur seine halbe Aufmerksamkeit widme.
    Ich kniete in den Privatgemächern der Königin auf einem Kissen, blickte auf den elfenbeinernen Glanz meines Kleides hinab. Ich konnte Henrys Hitze noch immer in der Wundheit zwischen meinen Beinen spüren, ihn auf den Lippen schmecken. Trotz des Bades, auf dem Anne bestanden hatte, bildete ich mir ein, den Schweiß von seiner Brust auf meinem |92| Gesicht und in meinem Haar riechen zu können. Wenn ich die Augen schloß, verharrte ich nicht im Gebet, sondern hing lüsternen Träumen nach.
    Die Königin kniete mit ernster Miene neben mir, den Kopf unter der hohen Spitzhaube hoch erhoben. Ihr Gesicht wirkte verhärmt und müde, sie neigte den Kopf über den Rosenkranz.
    Die Messe zog sich endlos lang hin. Ich beneidete Henry, den seine Staatspapiere ablenkten. Die Aufmerksamkeit der Königin ließ keine Sekunde nach, ihre Finger bewegten sich rastlos über die Kugeln des Rosenkranzes, die Augen hielt sie andächtig geschlossen. Erst als der Gottesdienst zu Ende war und der Priester die Kelche mit den weißen Tüchern auswischte und wegtrug, stieß sie einen langen Seufzer aus, als hätte sie etwas gehört, das uns entgangen war. Sie wandte sich um und lächelte uns an, alle ihre Hofdamen, sogar mich.
    »Jetzt wollen wir unser Frühstück einnehmen«, sagte sie freundlich. »Vielleicht speist der König mit uns.«
    Als wir an seiner Tür vorüberzogen, merkte ich, wie meine Schritte sich verlangsamten, weil ich nicht glauben konnte, daß er mich ohne ein Wort vorübergehen lassen würde. Als hätte er das gespürt, riß mein Bruder George in genau diesem Augenblick die Tür auf und sagte laut: »Guten Morgen, meine liebe

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