Die Schwester der Nonne
es sowohl die Möglichkeit, einen Eisenrost einzuschieben, als auch einen Kessel aufzuhängen oder einen Topf auf ein eisernes Dreibein zu stellen. Am Schornstein hingen verschiedene Tiegel und Töpfe an eisernen Haken. Neben dem Kamin lagen Holzscheite und Reisigbündel. Von den Deckenbalken hingen allerlei Kräuterbündel zum Trocknen, aber auch Wäsche und Katharinas Mantel. Neben dem Kamin an der Wand stand das Bett der Alten. Es war aus rohen Holzbrettern gezimmert und mit einem Strohsack gefüllt. Darüber war ein Laken aus grobem Nesselstoff gebreitet. Eine Wolldecke diente zum Zudecken. Auf der anderen Seite des Raumes stand eine Korbtruhe, ein Regal mit unzähligen Töpfchen, Flaschen und Dosen, die wahrscheinlich jede Menge Kräuter, Tinkturen und Tees enthielten, aber auch Säckchen geheimnisvollen Inhalts. Davor standen ein Tisch, eine Bank und ein Lehnstuhl aus biegsamem Eschenholz. Ein Krautfass, verschiedene Weidenkörbe und kleinere Fässchen mit eingelegtem Gemüse vervollständigten die karge und zweckmäßige Einrichtung. Auf dem Tisch stand ein kleiner geflochtener Handkorb voller frischer Pilze, die einen würzigen Geruch verströmten.
Katharina erhob sich von ihrem Lager und trat vor die Hütte. Sie stand tatsächlich auf einer kleinen Insel inmitten eines schmalen Flussarmes, der den Hügel umschloss, auf dem das Haus stand, und ihn so auf natürliche Weise schützte. Auf einer Seite führte eine schmale Holzbrücke hinüber zum Ufer. Von weitem sah sie Griseldis zwischen den Stämmen, wo sie sich hin und wieder bückte und etwas aufsammelte, was sie in ihren Handkorb legte.
Die Ziege zog sie an einem Strick mit sich. Das Tier suchte sich sein Futter am Fuße der mächtigen Eichen und knabberte hier einen Grashalm und da an einem Kräutlein und wackelte ununterbrochen mit dem Schwanz.
Katharina überquerte die Brücke und betrachtete das Haus aus dieser Entfernung. Es wirkte wie ein Haufen Schilf oder Rohr, wenn unter dem tief heruntergezogenen Dach nicht die Tür und das einzige Fenster zu sehen gewesen wären. Fast verschmolz das Gebäude mit dem Geäst der Eichen, die es umgaben. Wilder Efeu und eine Hundsrose wucherten an den Wänden bis auf das Dach.
Es gab keine Grenze zwischen der Natur und dem Bauwerk, alles ging ineinander über. Das Dach selbst wurde von einer Moosschicht überzogen. Ein bunter Vogel pickte darin herum und fand wohl ausreichend Nahrung.
Griseldis hatte sie entdeckt und winkte ihr. Auch sie sah bei Tageslicht nicht mehr ganz so zum Fürchten aus. Katharina ging zu ihr hinüber und nahm ihr den Korb ab. Drinnen lagen allerlei Kräuter.
»Nun, hast du ausgeschlafen?«, wollte Griseldis wissen.
»Ich hoffe, Ihr denkt nicht von mir, ich wäre ein Faulpelz«, entschuldigte sich Katharina. »Aber der Schlaf übermannte mich wie der Tod.«
Sie verschwieg, dass ihr jeder Knochen einzeln schmerzte von dem harten und unbequemen Lager. Griseldis wandte sich zur Hütte um.
»Du musst etwas essen. Und dann gebe ich dir andere Kleider. So fällst du auf.«
Sie zerrte am Strick der störrischen Ziege, die sich an den letzten Kräutern des Sommers laben wollte. Schräge Sonnenstrahlen durchbrachen das welk werdende Blätterdach der mächtigen Eichen. Das Laub verfärbte sich bereits und über den Wasserläufen dampfte es. Der Boden war feucht und an manchen Stellen sogar sumpfig. Wer würde schon auf den Gedanken kommen, dass sich Katharina an einem solchen Ort versteckt hielt?
Griseldis eilte in ihrem wackelnden Gang zurück in die Hütte, stellte eine Schüssel auf den Tisch und goss frisch gemolkene Ziegenmilch hinein. Dann legte sie Haferbrot daneben und zerhackte die gesammelten Kräuter, die sie in die warme Ziegenmilch streute.
»Hier hast du eine kräftige Wecke«, sagte sie zu Katharina und legte einen aus hellem Lindenholz geschnitzten Löffel dazu.
Katharina setzte sich auf die Bank und faltete die Hände zum Tischgebet. Sie schloss sowohl ihre Schwester Maria als auch den Vater in das Gebet mit ein. Der Gedanke an die Geliebten machte sie betroffen.
Ein kurzer Blick zu Griseldis bestätigte ihr, dass diese sie beobachtete. Sie beendete schnell das Gebet, bekreuzigte sich und griff zum Löffel. Schon bei Thomas im Kuhturm hatte sie mit Appetit das in Milch gestippte Brot verzehrt. Sie brockte das helle Haferbrot in die Ziegenmilch.
Daheim hatte es derartige Speisen nicht gegeben. Milch war ein Armenessen, und das hatten sie im Handelshaus Preller nicht
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