Die Schwester der Nonne
Weg durch die engen Straßen und Gassen bis zum Taschenberg, wo sich die Burg befand, in der der Herzog residierte. Maria wunderte sich über die vielen Prozessionen von Mönchen und Nonnen, aber auch von Bürgern der Stadt, die sich laut weinend und klagend den kirchlichen Würdenträgern anschlossen. Ein Wachmann der Palastwache vertrat ihnen den Weg.
»Halt! Hier kommt niemand weiter.«
»Wir wollen um einen Audienztermin bei der Herzogin bitten«, brachte Hans seinen Wunsch vor. »Man sagt, dass sie sich den Sorgen und Nöten ihrer Untertanen annimmt.«
Der Wachmann betrachtete das bäuerlich gekleidete Paar mit Misstrauen.
»Wo kommt ihr denn her, dass ihr nicht wisst, was hier los ist? Die Herzogin vergibt keine Audienztermine.«
Maria und Hans starrten den Offizier erschrocken an.
»Aber warum denn nicht?«
»Gestern verstarb unser Landesherr, Herzog Albrecht.«
»Fang mich doch, wenn du kannst.«
Katharinas glucksendes Lachen stieg in den spätsommerlich blauen Himmel und machte den Lerchen alle Ehre, die über dem trockenen Stoppelfeld flatterten. Über ihr erhitztes Gesicht zogen sich schmutzige Schlieren, aber das machte Katharina nichts aus. Übermütig warf sie sich zwischen die aufgestellten Kornpuppen, und Klaus warf sich auf sie.
»Ich kann«, triumphierte er und hielt sie fest. »Und nun bekomme ich meine Fangprämie.« Er küsste Katharinas rote Lippen wie ein Ertrinkender. Katharina schlang ihre Arme um seinen Hals und hielt ihn fest, damit er sich ja nicht eher von ihr löse, als bis ihr der Atem ausging.
»Warum kommst du nicht öfter?«, klagte Katharina. »Ich sehne mich so nach dir.«
»Ich sehne mich auch nach dir«, erwiderte Klaus. »Aber du weißt, dass ich meine Studien zu Ende bringen muss, um eine halbwegs gut bezahlte Anstellung zu bekommen. Schließlich müssen wir von irgendetwas leben.«
»Ach ja, das liebe Geld«, seufzte Katharina theatralisch. »Ist das wirklich so wichtig?«
»Mein liebes Kind, dein Leben lang hast du dir keine Gedanken über das Geld machen müssen, das dich ernährte. Du hattest das Glück, in einem Haus aufzuwachsen, wo Geld allgegenwärtig war. Nun aber bin ich für das Geld verantwortlich, das dich ernährt. Leider bin ich nicht so ein wohlhabender alter Knochen wie dein eigentlicher Bräutigam.«
Katharina schüttelte ihn.
»Erinnere mich nicht an ihn, sonst werde ich zornig. Niemals, niemals werde ich diesen Eckhardt heiraten. Lieber vertrockne ich zu einer Alraunwurzel.«
»Pssst.« Klaus presste ihr die Hand auf den Mund. »Fordere die bösen Mächte nicht heraus. Was soll ich denn mit einer vertrockneten Alraunwurzel anfangen?«
Katharina kicherte und richtete sich etwas auf. Sie blickte hinüber zu dem stattlichen Rittergut, das seit einigen Monaten ihre Zuflucht war. Hierhin hatte Klaus sie nach ihrer Flucht aus der Hütte der alten Griseldis gebracht, und sie war von den Gutsherren wohlwollend aufgenommen worden. Vor allem das Ritterfräulein Beate freute sich über die neue Zofe.
Für Beate war Katharina mehr Freundin als Bedienstete, und sie fand Katharinas abenteuerliche Geschichte wunderbar romantisch und interessant. Ihr Vater, Ritter von Pflugk, hatte das Gut mit dem Ritterschlag erhalten. Er hatte sich ein Weib genommen, Kinder gezeugt, wenn er zwischen den Schlachten, die er für Gott und Vaterland schlug, nach Hause kam, und überließ die Bewirtschaftung ansonsten einem Verwalter.
Dieser Verwalter war ein Verwandter von Klaus’ Vater, den Klaus noch aus seiner Kindheit kannte und an den er sich in seiner Not gewandt hatte. Keine Frage, dass er Klaus half, auch wenn er sich über die brotlose Kunst des Studenten lustig machte. Er hätte Katharina einfach als Magd angestellt, aber Beate, die älteste Tochter des Ritters, hatte eine bessere Idee.
In Ermangelung gleichaltriger Mädchen, die nicht unter ihrem Stand waren wie die Mägde auf dem Gut, fand sie in Katharina eine feine, gebildete und zu allerlei lustigen Späßen aufgelegte Freundin, die viele wundersame Geschichten zu erzählen wusste, aber auch lesen und schreiben konnte, schneller rechnen als jeder Krämer und Tänze aus dem Orient beherrschte. Sie war in Liebesdingen erfahren, und wenn Klaus sie besuchen kam, dann war ihr der Kammerdienst bei Beate völlig egal.
Stundenlang wälzte sie sich mit Klaus im Heu, verbrachte den langen Tag und die Nacht mit ihm und verzichtete sogar auf Speise und Trank. Mit einem gut gefüllten Korb aus der Küche verschwanden
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