Die Schwester der Nonne
tröstete Maria keineswegs. Selbst die Amme, die diesen Luxus und die Verderbtheit immer wieder angeprangert hatte, brach jetzt in Tränen aus.
Hieronymus selbst öffnete die Tür. Benedictus stand mit einer Abordnung des Klosters davor. Ein Mönch trug ein Kreuz.
Zehn Nonnen aus dem Georgenkloster begleiteten den Propst. Diese nahmen auch die Geschenke an, die Hieronymus als eine Art Mitgift dem Kloster stiftete. Die reichlichen Gaben sollten Maria einen guten Platz im Kloster sichern. Das zumindest erhoffte Hieronymus.
Der Propst registrierte mit unbewegter Miene die Geschenke. Eine Pergamentrolle war dabei, die dem Kloster auch ein Stück Land übereignete. Er gab dem Kreuzträger einen Wink, und die kleine Prozession setzte sich in Bewegung. Die Nonnen nahmen Maria in ihre Mitte, ihnen folgten Hieronymus und der Rest der Familie.
Katharina überkam Verzweiflung, und sie bereute, dass sie sich mit Maria gestritten hatte. Sie wollte ihrer Schwester noch so vieles sagen, sie um Verzeihung bitten, aber es war zu spät. Das Schicksal nahm unaufhaltsam seinen Lauf.
Die Leute liefen zusammen und ließen sich das Spektakel nicht entgehen.
»Eine Jungfer geht zu Gott«, riefen sie. »Es ist eine der Preller-Töchter.«
»Ob sie eine ordentliche Mitgift mitbekommt?«
»Da könnt Ihr sicher sein, gute Frau, der Preller hat’s doch.«
»Wie schön sie ist und so traurig. Schade, dass sie hinter Klostermauern verschwindet.«
»Ja, ja, es ist um manche Jungfer schade. Aber so ist nun mal der Lauf der Welt.«
Maria hörte die Worte der Gaffer und Schaulustigen, doch sie reagierte nicht darauf. Mit jedem Schritt, den sie sich von ihrem Vaterhaus entfernte, entfernte sie sich auch von der Welt. Ihre Füße waren schwer wie Blei, und die Stimmen kamen von weit entfernt. Ihre Augen blickten starr auf die Rücken der vor ihr schreitenden Mönche. Zwischen ihnen schwankte das dünne Holzkreuz wie ein abgestorbener Baum im Wind. Plötzlich wusste sie, dass sie dieses Kreuz war, ein abgestorbener junger Körper, vom Wind verweht wie Staub auf dem Feld.
Das Kloster lag südwestlich der Stadt außerhalb der Mauern. Es bestand aus einem ganzen Komplex von Gebäuden, denn wie alle Klöster waren auch die Marienmägde bestrebt, sich mit allem selbst zu versorgen.
Der kleine Zug kam ins Stocken. Maria blickte auf.
»Verabschiedet Euch nun von den Euren, Maria«, sagte Benedictus salbungsvoll und hob die Hand. »Euch erwartet ein schöneres, leuchtendes Leben zu Ehren Gottes.«
Hieronymus trat zu ihr.
»Ich wünschte, ich könnte etwas ändern«, flüsterte er mit tränenerstickter Stimme. »Aber ich kann Gott nicht verwehren, was ihm versprochen wurde. Maria, ich liebe dich.«
Er nahm sie in die Arme und ließ dann seinen Tränen hemmungslos ihren Lauf. Lange lagen sie sich so in den Armen, dann löste Maria sich von ihm.
»Du weißt mich sicher in der Obhut des Klosters«, sagte sie zu ihm. »Es ist meine Bestimmung, Gott zu dienen, und du weißt, dass ich deine gehorsame Tochter bin. Leb wohl, Vater. Gott beschütze dich und dein Haus.«
Dann umarmte sie nacheinander ihre Amme, die in Tränen aufgelöst schluchzte und klagte, Tante Brigitte, die sie immer noch beneidete, Philomena, die einerseits froh war, eine Last und finanzielle Belastung des Haushaltes und damit eine Konkurrentin loszuwerden, andererseits aber von einer plötzlichen Wehmut ergriffen wurde, und zum Schluss Katharina.
»Ich war manchmal so garstig zu dir«, heulte Katharina. »Es tut mir so Leid, und ich möchte dir sagen, wie sehr ich dich lieb habe und dass ich am liebsten alles ungeschehen machen würde und ich dich niemals vergessen werde und auch daran denke, wie wir beide immer über die Wiesen spaziert sind und Schmetterlinge gefangen haben …«
Maria presste ihre Schwester an sich und drückte ihre Wange gegen ihr Haar.
»Klaus ist auf dem Weg der Besserung. Ich habe ihm täglich Kräuterumschläge auf seine Wunden gelegt und ihm stärkende Tränke verabreicht. Die gebrochenen Knochen sind geschient und heilen auch wieder zusammen. In einigen Wochen kann er wieder seine Studien fortsetzen.«
Die Worte waren nur leise und hastig gesprochen, solange ihre Umarmung dauerte. Katharina begriff zunächst nicht richtig. Sie starrte Maria an, als sie sich von ihr löste. Doch diese drehte sich um und wurde von den Nonnen fortgeführt. Die Familie um Hieronymus blieb allein zurück.
Das Kloster enthielt alles, was zum Leben der Gemeinschaft
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