Die Schwestern des Lichts - 3
und dabei aus großen Krügen tranken. Sie sah auch Soldaten aus anderen Ländern, ein paar aus Nicobarese, einige Sandarianer und, zu ihrem Entsetzen, eine Handvoll Galeaner. Vielleicht, so überlegte sie, waren es bloß D’Haraner in den Uniformen der Männer, die sie getötet hatten. Doch irgendwie schien ihr das nicht wahrscheinlich.
Im gesamten Lager kam es immer wieder zu vereinzelten Streitereien. Männer stritten sich wegen eines Wurfes beim Würfelspiel, wegen des Essens, wegen Fäßchen und sogar wegen kleiner Flaschen alkoholischer Getränke. Einige der Auseinandersetzungen uferten zu Faust- und Messerkämpfen aus. Sie wurde Zeuge, wie ein Mann einen Messerstich in den Bauch bekam – unter dem brüllenden Gelächter der Umstehenden.
Schließlich entdeckte sie, wonach sie gesucht hatte: die Zelte der Kommandanten. Man hatte sich zwar nicht die Mühe gemacht, Flaggen zu hissen, doch konnte man sie an ihrer Größe erkennen. Draußen vor dem größten hatte man, gleich neben einem brüllenden Feuer mit einem Spießbraten darüber, einen kleinen Tisch aufgestellt. Die Gruppe von Männern, die sich dort eingefunden hatte, war von Laternen umgeben, die an Pfählen hingen.
Als sie näher kam, brüllte ein riesiger Kerl, der die Füße auf den Tisch gelegt hatte, gerade: »… und zwar sofort, sonst lasse ich dich köpfen! Ein volles! Bring ein volles Faß, oder du findest deinen Kopf auf einer Lanze wieder!« Als der Soldat davoneilte, brachen die am Tisch sitzenden Männer in Gelächter aus.
Kahlan manövrierte ihr riesiges Schlachtroß bis an den Tisch heran. Sie saß aufrecht und reglos da und musterte das halbe Dutzend Männer, das um den Tisch saß. Vier von ihnen waren d’haranische Offiziere, darunter der mit dem Stiefeln auf dem Tisch, der gebrüllt hatte. Einer war ein keltonischer Kommandant in einer reich verzierten, halb aufgeknöpften Uniform, unter der ein schmutziges, mit Wein und Soße bekleckertes Hemd zum Vorschein kam. Einer der Männer trug ein schlichtes, braunes Gewand.
Der Mann mit den Füßen auf dem Tisch schnitt mit einem großen Messer einen langen Streifen Fleisch von einem Knochen. Den Knochen warf er über die Schulter der knurrenden Hundemeute hinter sich zu. Dann riß er den Streifen Fleisch mit seinen Zähnen auseinander und zeigte mit dem Messer nach rechts auf den jungen Mann in dem schlichten Gewand, während er noch kaute, nahm er einen ordentlichen Schluck aus seinem Krug. Dann sprach er – trotz seines übervollen Mundes.
»Zauberer Slagle hier hat mir erzählt, er glaubt, einen Konfessor zu riechen.« Er linste aus blutunterlaufenen Augen nach oben.
»Und wo steckt dein Zauberer, Konfessor? Hm?« Alles am Tisch fiel in sein Grölen ein. Bier rann durch seinen dichten, blonden Bart. »Hast du irgendwas zu saufen mitgebracht, Konfessor? Wir sitzen fast auf dem Trockenen. Nein? Nun, kein Problem.« Mit dem Messer zeigte er hinüber auf den keltonischen Kommandanten. »Karsh hier meint, eine Woche oder so hinter den Bergen gibt es eine nette Stadt, dort wird man für uns durstige Kerle bestimmt etwas Bier haben, nachdem man uns willkommen geheißen und uns den Treueeid geschworen hat.«
Kahlans Blick wanderte zum Zauberer hinüber. Wegen ihm war sie gekommen. Kühl rechnete sie sich aus, ob sie den Sprung vom Pferd bis hinüber zum Zauberer schaffen und ihn mit ihrer Kraft berühren konnte, bevor sie von dem großen Messer erwischt wurde. Der Kerl, der mit dem Messer herumfuchtelte, sah nicht so aus, als wäre er imstande, besonders rasch zu reagieren. Trotzdem standen die Chancen ihrer Einschätzung nach schlecht. Sie war bereit, für diese Tat ihr Leben zu opfern, aber nur, wenn sie des Erfolges einigermaßen sicher sein konnte.
Dennoch, wegen ihm war sie gekommen. Der Zauberer war das Auge dieser Armee. Er sah Dinge, bevor sie sie sehen konnten, und er sah Dinge, die sie nicht sehen konnten – genau wie Kahlan. Und D’Haraner hatten Angst vor magischen Dingen und vor Geistern. Ein Zauberer war ihr Schutz gegen Magie und gegen diese Geister.
Ihr Blick wanderte von den tiefliegenden Augen und dem betrunkenen, lüsternen Grinsen des Zauberers zu seinen Händen. Er schnitzte. Vor ihm auf dem Tisch lag ein Häufchen Späne. Sie mußte an die Häufchen mit Spänen im Palast zu Ebinissia denken, draußen vor den Zimmern der Mädchen.
Der Zauberer schwenkte den Stock, den er geschnitzt hatte. Zum erstenmal erkannte sie, was es war: ein überlebensgroßer Phallus.
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