Die Schwestern des Lichts - 3
Rücken eines Mannes.
»Du mußt mir erklären, wie du das machst«, meinte der Mann mit tiefer, kraftvoller Stimme. »Ich wäre sehr daran interessiert, den Trick zu lernen.«
»Machen? Was denn?« fragte Richard.
»Durch die Schilde hindurchzumarschieren, als wären sie nicht vorhanden. Wenn ich es versuchte, würde es mir glatt das Fleisch von den Knochen schmoren.«
»Wenn ich jemals selbst dahinterkomme, verrate ich es dir. Mein Name ist Richard. Ich würde mich gern mit dir unterhalten, wenn du nicht zu beschäftigt bist.«
»Beschäftigt!« Der Mann mußte herzhaft lachen. Als er sich erhob, war Richard ein wenig überrascht, wie groß er war. Sein langes, weißes Haar hatte Richard vermuten lassen, er sei alt und verschrumpelt. Alt war er tatsächlich, verschrumpelt jedoch nicht. Er wirkte kräftig und voller Lebensenergie. Sein Lächeln war gleichzeitig einladend und bedrohlich. Er trug einen Rada’Han genau wie Richard.
»Ich heiße Nathan, Richard. Ich habe mich darauf gefreut, dich kennenzulernen. Ich hatte nicht erwartet, daß du den Weg hierher allein finden würdest.«
»Ich wollte allein kommen, damit wir uns ungestört unterhalten können.«
»Und, weißt du, daß ich ein Prophet bin?«
»Ich bin nicht gekommen, um zu lernen, wie man Brot backt.«
Nathans Lächeln wurde breiter, doch er lachte nicht. Seine Brauen zogen sich zusammen wie die eines Habichts. Seine Stimme bekam etwas Zischendes. »Möchtest du, daß ich dir von deinem Tod erzähle, Richard? Wie du sterben wirst?«
Richard ließ sich auf das Sofa fallen und knallte seine Füße auf den Tisch. Er erwiderte das habichtähnliche, wütende Funkeln und zahlte ihm das bedrohliche Lächeln mit gleicher Münze heim. »Klar. Ich würde gern alles darüber wissen. Und wenn du damit fertig bist, erzähle ich dir, wie du sterben wirst.«
Nathan zog die Augenbrauen hoch. »Du bist auch ein Prophet?«
»Prophet genug, um dir zu sagen, wie du sterben wirst.«
Der finstere Blick bekam etwas Neugieriges. »Wirklich. Dann erzähl es mir.«
Richard nahm eine Birne aus einer Schale auf dem Tisch, polierte sie an seinem Hosenbein und biß davon ab. Kauend meinte er: »Du wirst genau hier sterben, in diesen Räumen, und zwar an Altersschwäche und ohne die Außenwelt jemals wiederzusehen.«
Die Falten in Nathans Gesicht wurden tiefer, sein Gesichtsausdruck erschlaffte. »Du scheinst tatsächlich ein Prophet zu sein, Junge.«
»Es sei denn, du hilfst mir. Wenn du mir hilfst, vielleicht kann ich dann wiederkommen und dir helfen, ebenfalls hier rauszukommen.«
»Und was möchtest du?«
»Ich will diesen Halsring loswerden.«
Nathans Gesicht verzog sich zu einem verschmitzten Grinsen. »Es scheint, als hätten wir ein gemeinsames Interesse, Richard.«
»Aber die Schwestern behaupten, ohne ihn würde ich sterben.«
Das verschmitzte Grinsen wurde breiter. »Von anderen verlangen sie die Wahrheit, doch sie selbst belasten sich nur selten damit. Die Schwestern haben ihre eigenen Pläne, Richard. Es gibt mehr als einen Pfad, der durch die Wälder führt.«
»Die Schwestern sagen, ich müsse lernen, mein Han zu gebrauchen, um den Ring loszuwerden. Sie scheinen dabei keine große Hilfe zu sein.«
»Es wäre einfacher, einem Baumstumpf das Singen beizubringen, als daß eine einfache Schwester dir beibringt, dein Han zu gebrauchen. Sie können dir nicht helfen.«
»Kannst du mir helfen, Nathan?«
»Vielleicht.« Nathan setzte sich auf seinen Stuhl und beugte sich entschlossen vor. »Sag mal, Richard, hast du je Die Abenteuer von Bonnie Day gelesen?«
»Gelesen? Es ist mein Lieblingsbuch. Ich habe es so oft gelesen, daß meine Augen fast die Buchstaben von den Seiten abgetragen haben. Ich würde gern den kennenlernen, der es geschrieben hat, und ihm sagen, wie sehr es mir gefallen hat.«
Ein breites, kindliches Grinsen stahl sich auf Nathans Gesicht. »Das hast du gerade, Junge. Das hast du gerade getan.«
Richard schnellte von der Sofalehne nach vorn. »Du! Du hast Die Abenteuer von Bonnie Day geschrieben?«
Nathan zitierte einige Passagen, um seine genaue Kenntnis zu beweisen. »Ich habe das Buch deinem Vater gegeben. Er sollte es dir schenken, sobald du alt genug zum Lesen warst. Du warst damals gerade geboren.«
»Du warst zusammen mit der Prälatin dort? Davon hat sie mir nichts erzählt.«
»Ich bezweifele, daß ihr die Wahrheit klar gewesen ist. Du mußt wissen, Ann verfügt nicht über die Macht, um in die Burg der Zauberer in
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