Die Schwestern des Lichts - 3
glaubt tatsächlich, er wird sich an seinen Teil halten?«
»Schließ dich uns an, Richard, und ich werde dir die Herrlichkeit zeigen, die jene erwartet, die ihm dienen. Du könntest ewig leben!«
Richard sprang auf einen Fels. »Niemals!«
Sie hob den Kopf und sah ihn mit kalter Gleichgültigkeit an. »Ich dachte, dies würde vergnüglich werden, aber ich muß feststellen, daß ich mich zunehmend langweile.«
Liliana streckte schwungvoll eine Hand aus. Aus der Hand wand sich schlangelnd ein Blitz hervor, doch er war anders als alle Blitze, die er zuvor gesehen hatte.
Es war ein schwarzer Blitz.
Statt aus Hitze und einem Lichtblitz bestand er aus einer wellenförmigen Leere, die so dunkel war wie der Stein der Nacht, so dunkel wie die Kästchen der Ordnung, so finster wie der ewige Tod. Die schwach vom Mond beschienene Szene war im Vergleich dazu ein heller Sonnentag.
Richard wußte: Er hatte subtraktive Magie vor sich.
Liliana fegte mit dem schwarzen Blitz über den Fels unter seinen Füßen hinweg. Mühelos schnitt dieser eine scharfkantige Leere durch den Stein. Der Rest, auf dem er stand, sackte auf die untere Hälfte. Bis weit nach hinten gingen Bäume, die auf die gleiche Weise von eben diesem schwarzen Blitz getroffen worden waren, unter donnerndem Getöse krachend zu Boden.
Richard verlor den Halt und stürzte rücklings in den steilen Hang. Er rollte sich überschlagend den Hügel hinunter. Als er den ebenen Boden unten erreichte, breitete er die Arme aus, um sich zu bremsen, und wälzte sich augenblicklich auf den Rücken. Er hob den Kopf. Ihm stockte der Atem.
Liliana stand direkt über ihm, das Schwert mit beiden Händen erhoben. Er sah, wohin ihr Blick gerichtet war, und wußte, daß sie die Absicht hatte, ihm die Beine abzuhacken. Er erstarrte, als er sah, wie sich ihr Schwert zu senken begann.
So, wie er sich bisher verteidigt hatte, würde er sie nicht aufhalten können. Er mußte etwas anderes versuchen, sonst wäre dies sein Tod.
Ihre Klinge war eine verwischte Bewegung im Schein des Mondes. Er befreite sich, ließ seinem inneren Selbst, seiner Gabe, vollkommen freien Lauf. Was immer dort war, er wollte sich ihm hingeben – oder sterben. Es war seine einzige Chance. Er fand das ruhige Zentrum in seiner Mitte und überließ sich dessen Willen.
Er sah, wie er das Schwert der Wahrheit nach oben stieß. Seine Knöchel waren weiß vor Anstrengung. Das Schwert erglühte weiß im trügerischen Licht.
Mit aller Kraft trieb er die zischend weiße Klinge in Liliana hinein, unterhalb der Rippen. Sie erschlaffte, als die Spitze ihr das Rückgrat durchtrennte und zwischen den Schulterblättern wieder zum Vorschein kam. Nur sein Schwert und seine Körperkraft hielten sie noch aufrecht.
Ihr Kinn klappte mit einem Stöhnen herunter. Ihr Schwert fiel ihr aus den Händen, blieb seitlich im Boden stecken. Aus aufgerissenen, blassen Augen starrte sie auf ihn herab.
»Ich vergebe Euch, Liliana«, sagte Richard leise.
Ihre Arme zuckten unkontrolliert. Todesangst füllte ihre Augen. Sie versuchte zu sprechen, doch es kam nur blutiger Schaum über ihre Lippen.
Es gab ein ohrenbetäubendes Krachen, wie bei einem Blitzeinschlag, doch statt eines Lichtblitzes fegte ein Kräuseln aus absoluter Finsternis durch den Wald. Als es ihn berührte, setzte sein Herz einen Schlag lang aus. Nachdem es sich verzogen hatte, schien das Licht des Mondes zu gleißen, und Liliana war tot.
Richard wußte es – der Hüter hatte sie geholt.
Früher hatte er die weiße Magie des Schwertes auf den Plan gerufen und genau gewußt, was sie bedeutete. Diesmal hatte er getan, was Nathan ihm geraten hatte, und sie durch seinen Instinkt, durch seine Gabe rufen lassen. Es hatte ihn überrascht, wie er die weiße Magie hatte heraufbeschwören können, ohne sich dessen bewußt zu sein.
Irgend etwas in seinem Innern hatte gewußt, was man brauchte, um sich des Hasses des Hüters zu erwehren, von dem Liliana erfüllt war. Richard war immer noch benommen. Er betrachtete Liliana, während er sein Schwert aus ihr herauszog. Er hatte sich ihr anvertraut. Er hatte ihr vertraut.
Ihm wurde bewußt, daß er genausoweit war wie zuvor – er hatte den Ring noch immer um den Hals und keine Ahnung, wie er ihn herunterbekommen konnte. Ring oder nicht, er mußte die Barriere durchbrechen, die ihn an diesem Ort gefangenhielt. Er beschloß, seine Sachen aus dem Palast zu holen und sich dann einen Weg durch die unsichtbare Mauer zu suchen.
Als er das
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