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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Korf», sagte er nachlässig, «danke.»
    Er brach das Siegel, faltete den steifen Bogen auseinander, und schon nach dem ersten Überfliegen des kurzen Schreibens glättete ein triumphierendes Lächeln sein Gesicht. Der Himmel war eben doch auf seiner Seite. Gerade hatte er darüber nachgedacht, dass Entscheidungen getroffen werden mussten, schon wurde ihm die erste abgenommen. Ein gutes Zeichen!
    Er lehnte sich zurück und las das Schreiben gründlich, Zeile für Zeile. Die Formulierungen waren ein wenig umständlich, die Schrift war ein wenig unsauber, Monsieur Bahlmann hatte sich selbst bemüht, anstatt es einem seiner Schreiber zu überlassen, was als weiteres gutes Zeichen gelten konnte. Mein lieber Hegolt, stand in der Anrede. Mein lieber Hegolt! Er hatte tatsächlich viel erreicht und allen Anlass zur Zuversicht. Bisher hatte Bahlmann nur abgewinkt, wenn er über dessen ungenutzte Holzliegeplätze verhandeln wollte. Nun hatte er es sich anders überlegt.
    Herrmanns, dachte Ansgar Hegolt freudig, ganz sicher hatte der Großkaufmann vom Neuen Wandrahm für ihn gesprochen. Der kannte alle wichtigen und auch die weniger wichtigen Männer in der Stadt wie die ihn, er wusste die Fäden zu ziehen und konnte als starke graue Eminenz gelten. Dass er diesen Mann für sich gewonnen hatte – das war mehr wert als ein dreifacher Haupttreffer in der Lotterie.
    Warum sonst sollte Bahlmann sich plötzlich umentschieden haben? Es kam Hegolt gar nicht in den Sinn, dass der reiche Kaufmann nun einfach fand, es sei lukrativer, die überzähligen Liegeplätze gegen einen deftigen Obolus weiterzuvermieten.
    Einen Wermutstropfen enthielt die Nachricht doch. Bahlmann schrieb, es gebe auch andere Interessenten für die Holzhafenplätze, Eile tue deshalb not. Einem versierten Kaufmann wie ihm müsse das nicht erläutert werden. Er halte sich zurzeit in seinem Landhaus in Wohldorf auf, wie Hegolt sicher wisse, sei das eines der nördlich gelegenen, aber zum Besitz der Stadt gehörenden Walddörfer, genauere Auskunft finde sich auf der Rückseite des Bogens. Wenn er interessiert sei, erwarte man ihn umgehend, nämlich noch heute. Der Weg sei erheblich weiter als bis zu seinem Kontor in der Deichstraße, doch auf seinem, Hegolts, fabelhaften irischen Rappen leicht zu bewältigen, auch seien die Wege hier draußen noch fest und ein Ausritt in Gottes freier Natur gerade im Frühling angenehm und der Gesundheit förderlich, jedenfalls an sturm- und schneefreien Tagen.
    Hegolt fand den Brief ein wenig zu plauderig für ihre geringe Bekanntschaft, doch er hatte häufig beobachtet, wie wohlhabende Männer, insbesondere wenn sie das wie Bahlmann in der dritten Generation waren, zu einer gewissen Formlosigkeit neigten, einfach weil sie sie sich erlauben konnten. Im Übrigen war es sehr freundlich von Bahlmann, dass er sich an die Bemerkung über den Rappen erinnerte, die doch nur in einem Nebensatz gefallen war, als er mit einigen Herren bei Herrmanns geladen war. Zum ersten Mal, es war – ja, es war ein besonderer, für seine Zukunft überaus bedeutsamer Abend gewesen.
    Gerade in diesen Tagen kam ihm eine noch so kurze Reise äußerst ungelegen. Der Landsitz war mit der Kutsche je nach Wegbeschaffenheit nahezu eine halbe Tagesreise entfernt, mit seinem schnellen Pferd brauchte er nur einen Bruchteil der Zeit, dennoch bedeutete der Besuch eine Übernachtung. Das war jetzt unangenehm, andererseits konnte ein Nachtessen in Bahlmanns Haus nur die Verbindung festigen. Diese Gelegenheit verstreichen zu lassen war töricht.
    Natürlich wollte er Ina nicht so lange allein lassen, das durfte er nicht. Er erhob sich und trat ans Fenster, der Blick ging am Drillhaus vorbei weit zu den Häusern und Gärten am gegenüberliegenden Alsterufer, er wandte sich ab und blickte durch die Scheibe in den vorderen Raum zu den über ihre Tische gebeugten Köpfen seiner Leute. Sie waren fleißig, hätte Korf die Tür offen gelassen, als er an seinen Platz zurückkehrte, würde man das Kratzen der Federn hören, sonst nichts. Er gab sich einen Ruck, klopfte an die Scheibe und bedeutete dem sofort aufblickenden Korf hereinzukommen.
    Er musste reiten. Genau wie Bahlmann es wünschte – noch heute. Sofort, wenn er das Landhaus vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wollte. Er würde die Liegeplätze ergattern, und alles konnte weiter vorangehen. Und Ina? Für diese eine Nacht konnte er sie ganz Mlle. Meyberg überlassen, sie befolgte seine Anweisungen stets getreulich.

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