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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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zustimmend und nickte mit verstohlener Erleichterung. Überflüssig, ausgerechnet Claes Herrmanns zu erzählen, dass es tatsächlich nicht ganz so gewesen war. Jeder Mann hat nun mal seine Geheimnisse.
    Just in diesem Moment versuchte ein schmaler junger Mann mit kurzem Hals, kräftiger Nase und großen hellen Augen, sich zu ihrem Tisch vorzuschieben, beide Arme winkend über die mit eigenem oder falschem, gepudertem oder ungepudertem Haar bedeckten Köpfe erhoben. Da ihn hier niemand kannte, machte ihm niemand Platz. Auch sah sein Rock, soweit man es im Gedränge überhaupt erkennen konnte, billig aus, was bei Jensen selten vorkam.
    Claes brauchte einen Moment, sich zu erinnern. Dann erkannte er den Redakteur, der einige Zeit erfolglos für die Addreß-Comtoir-Nachrichten gearbeitet hatte und nun in Wandsbek eine Provinzzeitschrift redigierte, für die, wie man hörte, jedermann schrieb, der in der Literatur Rang und Namen hatte, selbst die in dieser Stadt gut bekannten und geschätzten Messieurs Lessing und Klopstock. Allerdings anonym, wobei in Kaffeehausgesprächen strittig geblieben war, ob wegen einer demokratisch-brüderlichen Attitüde oder weil sich niemand damit blamieren wollte, für diesen Wandsbecker Bothen zu kritzeln.
    Claudius, fiel es Claes nun wieder ein, richtig, er hieß Claudius. Und der Vorname? Johannes? Nein, Matthias? Ja, oder Matthes? Augusta kannte und schätzte den jungen Schreiberling, sie hatte sie bei einem Gartenfest an der Alster miteinander bekannt gemacht und erzählte hin und wieder von ihm und seiner blutjungen Ehefrau. Augusta hatte seltsame Bekanntschaften.
    «Monsieur Herrmanns, verzeiht, wenn ich Euch hier belästige. Ich will nicht stören.»
    «Ach was, Claudius, dies ist ein Kaffeehaus, hier kann jeder eintreten und Platz nehmen, das ist die Regel. Setzt Euch zu uns. Wie steht’s bei Euch da draußen in Wandsbek? Ist Eure Gattin wieder wohlauf?»
    Da weit und breit und schon gar nicht an diesem Tisch ein freier Stuhl oder Hocker zu sehen war, missverstand Claudius die Aufforderung als leere Floskel. «Danke, sehr verbunden, es geht ihr wieder recht gut. Und ich muss leider bedauern, ich bin sehr in Eile, man erwartet mich dringend bei Dresser .»
    Seine schnuppernde Nase folgte dennoch kurz dem mit einem Tablett voller Tassen vorbeidrängenden Serviermädchen. Der Kaffeeduft ließ seinen Blick sehnsüchtig werden, doch dies war kein Ort, an dem er sich auch nur ein Tröpfchen davon leisten konnte. Jensens Preise waren verglichen mit denen im Dresser’schen Kaffeehaus , dem Treffpunkt der Literaten, Gelehrten, sonstigen eingebildeten und tatsächlichen Denkern und ihrer Trabanten, außerordentlich. Leider entsprach die Qualität von Kaffee, Tabak und Branntwein dort dem geringeren Preis.
    «Als ich Euch durch das Fenster sah, dachte ich, Ihr könntet womöglich Eurer Tante, unserer verehrten Madam Kjellerup, einen Gruß von mir ausrichten, und von meiner Rebekka, das natürlich auch. Wir machen uns nämlich Sorgen um unsere Nachbarin. Ihr wisst vielleicht, sie ist nicht unsere direkte Nachbarin, aber da sie eine Freundin Eurer Tante ist, sehen wir gern ab und zu nach ihr. Zumeist natürlich Madam Claudius, ich selbst habe leider sehr viel zu arbeiten, und meine Rebekka ist eine so fürsorgliche Seele. Natürlich ist unsere Nachbarin eine feine Dame, wenn auch ein wenig», Claudius’ Schultern hoben sich, er rieb die Hände gegeneinander und errötete leicht, «ja, ich will es ein wenig seltsam nennen. Das ist Madam Söder nun mal. Ich muss es so sagen. Und das Herrenhaus, tja, es liegt zwar recht abgelegen, aber …»
    Pauli hatte hell aufgelacht, Claudius sah ihn mit einem für ihn sehr seltenen Gefühl, nämlich mit einem Anflug von Misstrauen an.
    Pauli lachte noch einmal, es klang weniger fröhlich als süffisant. «Ihr sagtet, Ihr kommt von Wandsbek? Bei einem etwas abgelegenen Herrenhaus fällt mir nur das Etablissement von Madam Franziska ein. Falls Ihr das gemeint habt, solltet Ihr Eure junge Madam Rebekka besser nicht zu genau hinsehen lassen, zumindest die schönen Gewänder könnten Begehrlichkeiten in ihr wecken, die sie zuvor nicht gekannt hat.»
    «Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht, Monsieur.» Diesmal war Claudius tief errötet, seine sonst stets freundliche Stimme klang kalt. Er hatte sehr wohl verstanden, von was für einer Art Haus Pauli gesprochen hatte, aber er hatte bisher offenbar nicht gewusst, zu welchem Zweck und Vergnügen die überwiegend

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