Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)
müsst Ihr es genau wissen, am besten von Hegolt selbst. Von wem sonst?»
Franziska nickte missmutig. «Kommt Zeit, kommt Rat», sagte sie knapp.
Noch etwas beschäftigte Rosina. «Ihr habt vorhin gesagt, die Sache mit dem Goldschmied und den Morden an Euren Schwestern müsse noch einige Tage warten. Seid Ihr nicht auf die Idee gekommen, das alles könnte zusammenhängen?»
«Doch. Bisher hatte ich nur keine Zeit, darüber nachzudenken, und ohne das kann ich den Zusammenhang nicht sehen. Und nun steigt aus und klopft an die Tür, wenn alles nach unserem Plan läuft, stehen die Mädchen bereit. Dann ist Hegolt seit einer halben Stunde bei seiner wichtigen Zusammenkunft mit den Provisoren, und Mademoiselle, die eifrige Graumaus, trägt Emanuel sein Lateinbuch in die Privatstunde nach. Der bedauernswerte Junge», sagte sie leise. Womöglich hatte ihr Herz doch eine weiche Stelle.
Wenn Rosina später an das dachte, was nun geschah, fiel es ihr manchmal schwer, zu glauben, was sie am Ende dieses ereignisreichen Tages gesehen hatte. Sie traute ihren Augen, aber sie wusste, wie trügerisch die Bilder waren und dass die Natur oder die Phantasie, die Angst wie die Hoffnung gerne vorgaukeln, was nicht wirklich geschieht. So blieb sie lange unsicher, ob sie wirklich gesehen hatte, was sie zu sehen geglaubt hatte.
Aber sie vergaß es nicht, niemals. Es wanderte in die große dunkle Wolke, die sie gerne vergessen hätte, aber nicht aus ihrer Erinnerung vertreiben konnte. Es gehörte zu all den schrecklichen Minuten oder Stunden, die sie je erlebt hatte. Zu Erinnerungen an Elend, Verzweiflung, Tod, Schmerz und Entsetzen. Und Bosheit.
Noch bevor sie an die Tür der Hegolts klopfen konnte, wurde die aufgerissen. Ein Frau etwa im Alter der Schwestern, durch ihre Tracht als Köchin zu erkennen, starrte sie an, blickte unruhig an ihr vorbei auf die Kutsche, die direkt vor der Tür stand. Der Platz zwischen der Häuserreihe und dem Drillhaus lag ruhig, keiner der nur noch wenigen Wagen und Reiter, die vom Dammtor her über die Lombardsbrücke in die östliche Stadt unterwegs waren, verließ die Wallstraße, um sich durch die engen Straßen in der inneren Stadt zu zwängen.
«Wer seid Ihr?», fragte Alberte. «Und was wollt Ihr? Wir haben jetzt keine Zeit, die Herrschaften sind nicht da.»
«Alles hat seine Richtigkeit. Ihr seid Alberte, nicht wahr? Und in der Kutsche sitzt Madam Franziska und wartet auf die Mädchen. Sind sie bereit?»
Sie versuchte über Albertes Schultern in das Hintere der Diele zu spähen, eine Laterne an der Wand bei der nach oben führenden Treppe gab diffuses Licht, zwei helle Schemen hockten eng beieinander auf der unteren Stufe, daneben stand ein praller Reisekorb und etwas, das wie ein breiter Stuhl auf Rädern aussah.
«Sie soll selbst kommen. Madam Franziska», rief Alberte hinaus, presste gleich die Hand auf den Mund, sah angstvoll über den Platz und zu den Nachbarn und winkte dann zu der Kutsche hinüber. «Er ist weg!», raunte sie Rosina zu. «Was mache ich nur, die armen Mädchen. Und wenn Emanuel heimkommt?»
«Ich verstehe Euch nicht. Monsieur Hegolt sollte weg sein, so war es doch verabredet.»
«Nein, ganz weg. Vor wenigen Minuten erst. Er hat alles mitgenommen. Henning ist auch weg, ich weiß nicht, wohin.»
«Ganz ruhig, Alberte, eins nach dem anderen.» Franziska trat in die Diele und schloss die Tür hinter sich. «Erzähl, aber rasch.»
Alberte war zutiefst beunruhigt, als Hegolt nicht wie geplant ausging. Er hatte einen Mantelsack in die Diele gestellt und war im Kontor verschwunden, zuvor hatte er Mlle. Meyberg einen Brief gegeben, den sie Emanuel in seine Privatstunde bringen solle, die Sache mit dem vergessenen Lateinbuch, mit dem Alberte die Gouvernante aus dem Haus scheuchen wollte, war nicht mehr nötig. Alberte hat gehört, wie er der Meyberg auftrug, nach der Stunde mit Emanuel zum Englischen Haus zu gehen, dort solle sie auch den Brief beim court master abgeben und warten, was man ihr auftrage. Die Mädchen hatte er keines Blickes gewürdigt.
«Gleich, als er aus der Tür war, hab ich Korf gefragt, den Ersten Schreiber. Er ist sehr beunruhigt, er hat nämlich gesehen, wie Monsieur alles Wertvolle aus der Truhe genommen hat, die Wechsel, die Beutel und Rollen mit den Münzen, in all den Währungen, die meisten, sagt er, sind englisches Geld. Auch die Goldstücke. Das ist noch nie vorgekommen, und er weiß nicht, was das bedeuten soll.»
«Wohin?», fragte Franziska
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