Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)
ein kluger Mann, selbst als guter Schütze solle er sich auf Wildbret und Tauben beschränken. Bei Tod und Blut gebe es Grenzen. Magnus fand das beruhigend.
Howard James Hobson war ein Freund der Herrmanns, genau genommen der Familie Roberts, Annes Familie. Claes hatte Magnus ein Empfehlungsschreiben mit auf die Reise gegeben, und Hobster hatte ihn umgehend in seinem Palazzo einquartiert. Das sei doch mal eine Abwechslung, hatte er mit dröhnender Stimme verkündet, immer nur Engländer und Venezianer sei allmählich langweilig. Na gut, er habe hin und wieder auch Franzosen und Österreicher zu Besuch, auch mal einen Armenier, ein wirklich interessanter Mensch, aber einen Hamburger – das sei selten.
In dem weitläufigen Palazzo war es kalt, dafür überaus geräumig. Das Zimmer, das Magnus nun bewohnte, maß gut und gerne dreimal die Fläche der ganzen Wohnung in der Hamburger Mattentwiete (er hatte es abgeschritten), von einem schmalen Balkon blickte er über den Canal Grande , den die Inselstadt teilenden breiten Kanal und Hauptverkehrsweg, auf das quirlige Auf und Ab der Gondeln, kleinen Segler, Ruderboote und behäbigen Lastkähne. Er hätte stundenlang dort stehen und zusehen mögen, aber er hatte einen Auftrag, er musste Blanck suchen, und zwar bevor der alle Wechsel eingelöst hatte und mit dem Ertrag verschwand.
Den ersten Tag nach seiner Ankunft hatte er gänzlich verschlafen, was keiner Trägheit zuzuschreiben war, sondern einzig die Folge des fast drei Wochen langen Gewaltrittes. Seitdem suchte er nach den Spuren Blancks. Wie Pauli ihm aufgetragen hatte, war er zuerst zur Fondaco dei Tedeschi gegangen, dem deutschen Handelshaus. Kaufleute aus verschiedenen Städten der deutschen Länder und Regionen hatten direkt bei der Rialtobrücke, der einzigen über den Canal Grande führenden Brücke, ihr großes Lager- und Kontorhaus. Dort hatte Blanck in den beiden Räumen des Nürnberger Kontors wohnen sollen, von dort war die Nachricht gekommen, er sei da gewesen und dann nicht mehr aufgetaucht – statt seiner bei der Bank einer der Wechsel, die er in Paulis Namen mit sich geführt hatte. Magnus hatte bei den Nürnbergern angeklopft, aber sie waren auf irgendeinem Markt oder Amt gewesen. Ihr Nachbar, ein Kaufmann aus Leipzig, hatte empfohlen, es am nächsten Tag wieder zu versuchen. Die Durheims seien gewöhnlich am späteren Nachmittag hier.
Magnus war es recht gewesen, auf einen Tag mochte es nun nicht mehr ankommen. Der Rialto war als Zentrum des Geschäftslebens und des Handels in der Stadt leicht zu finden gewesen, jeder hatte ihm den Weg gewiesen. Auf dem Rückweg war er langsam vorangekommen und hatte begriffen, dass man in dieser vertrackten Stadt eben nur langsam vorankam. Einmal falsch abgebogen, und man war verloren und konnte nur auf das Glück hoffen. So hatte er sich gestern wie heute aufs Schlendern verlegt, das hier einzig angemessene Tempo. Er hatte schon begonnen, es zu genießen.
Überall sah er auch eilige Menschen, gestern wie heute, die mussten sich gut auskennen, also schon lange hier wohnen, ach was, hier geboren sein und jeden Fußbreit Boden kennen, auch wissen, wo eine Gasse vor einer Wand, einer fest verschlossenen Tür zu einem geheimen Garten oder einem toten Kanalstück endete, wo eine Brücke in das gesuchte Stadtviertel führte. Sie mussten bei all den Kurven und Abzweigungen über den Orientierungssinn einer Katze oder eines Zugvogels verfügen.
«Ihr seht nicht aus, als wäret ihr erfolgreich gewesen», stellte Hobson fest. «Sicher liegt es an der Sprache. Kein kultivierter Mensch kann das Kauderwelsch verstehen, das die Leute hier sprechen.»
Magnus grinste. «An der Sprache liegt es in diesem Fall nicht. Wobei ich zustimme, wenn Ihr den venezianischen Dialekt meint. Der ist wahrlich eine Prüfung.»
«In der Tat, mein Freund, in der Tat. Hat die Karte geholfen?»
«Die war auch eine Prüfung», gestand Magnus. Hobson hatte ihm einen Plan der Stadt überlassen. Ohne den finde man sich als Fremder überhaupt nicht zurecht, hatte er gesagt, damit gehe es leidlich. Was sich als falsches Versprechen erwies. Die Überzahl der winzigen Gässchen und Höfe, der toten Winkel und Abzweigungen hatte die Karte zu einem immer größer werdenden Geheimnis und Verwirrspiel gemacht. Schließlich war er doch bei San Marco und dem Palazzo Ducale gelandet, dem glanzvoll orientalisch anmutenden Palast der Dogen, und seither hatte er auf der Mole gestanden und über das Wasser zu der
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