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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Kirche vor dem düster dräuenden Himmel mit einem giftig goldgelben Rest der Sonne geblickt. Es erinnerte ihn an das Inferno – ein prachtvolles Bild.
    «Am besten mietet Ihr einen Führer», überlegte Hobson mitfühlend, grüßte zwei vorüberflanierende, unter schwarzen Seidenumhängen und hinter aufgeschlagenen Fächern fast verborgene Damen mit einer für seine Jahre überraschend behänden Verbeugung. «Und sobald Ihr nicht mehr wisst, wo Ihr seid, versucht, eine Gondel zu bekommen. Der Gondoliere wird Euch natürlich als Fremden erkennen und übervorteilen, das ist sein gutes Recht, dafür kommt Ihr sicher, wohin Ihr wollt. Zu schade», murmelte er, während er sich mit nachdenklicher Miene noch einmal nach den schon in der Menge verschwundenen Damen umsah, «ja, zu schade, dass ich Euch Otranto nicht überlassen kann. Er ist mir einfach unentbehrlich, ohne ihn gehe ich sofort verloren. Nicht einmal die Spione der hiesigen Regierung kennen sich so gut in diesen Gassen und Kanälen aus wie Otranto.»
    Er betrachtete den schwarzen Diener, der, wie es sich gehörte, einen halben Schritt hinter ihm stand, mit dem gleichen Stolz, wie man ein seltenes Schmuckstück betrachtet. Tatsächlich wirkte Otranto in seiner geschmackvollen, nur in Schwarz und Weiß gehaltenen Livree und der wohl gepuderten, aber einfachen Perücke ungleich eleganter als sein zu stark aufgeputzter Herr. Dass der ihn nach seinem Lieblingsroman benannt hatte, einer düsteren Geschichte in einer noch düstereren Burg im süditalienischen Otranto, mochte wenig geschmackvoll sein, war aber zumindest indirekt als Kompliment zu verstehen. Hobson hatte Otranto einem anderen Engländer abgekauft, als der im Ridotto , der elegantesten und gefährlichsten Spielhölle der Stadt, sein ganzes Vermögen gelassen hatte und Geld für die Heimreise nach Bristol brauchte. Von Hobson wurde er als Leibdiener wirklich gut behandelt, wenngleich er auch in dessen Dienst letztlich ein Sklave blieb. Otranto sprach ein erheblich kultivierteres Englisch als sein Herr, auch sein Italienisch und Französisch reichten für eine angenehme Konversation, neuerdings wurde er zudem zum Experten für venezianische Malerei. Otranto war für Hobson wirklich unersetzlich, zu seinem Glück wusste sein Herr das.
    Hobson lebte seit Jahren in Venedig. Er kaufte preiswert gute und weniger gute Gemälde, die guten behielt er, die weniger guten verkaufte er in London und neuerdings in Paris und Madrid teuer weiter. Angeblich auch in Konstantinopel, aber das war ungewiss. Er handelte vor allem zum Vergnügen, reich war seine Familie ohnedies seit Generationen.
    Hobson war ein begeisterter Gastgeber, besonders wenn man bedachte, dass Magnus zwar mit einem Empfehlungsschreiben, aber ohne Einladung gekommen war. Sicher lag es an seiner schwärmerischen Erinnerung an die überaus reizende Miss Anne Roberts, die nun Madam Herrmanns war und die er, wie er Magnus nach einigen Gläsern toskanischen Weines anvertraut hatte, in jüngeren Jahren sehr verehrt habe. So kam Magnus in den Genuss später Folgen einer mit dem einsamen Altern glorifizierten Liebe.
    Hobson lud ihn in eine offene Gondel ein und ließ zum Rialto rudern, damit Magnus wieder seiner Pflicht nachkommen könne. Als Gegenleistung, erklärte er augenzwinkernd, erwarte er heute Abend seine Beleitung. Er habe ein Diner in einem besonders prächtigen Palazzo zu bewältigen, bevor man sich in einem Hinterzimmertheater oder am Spieltisch verlustieren könne. Mit einem hübschen jungen Ausländer, der zudem der italienischen Sprache halbwegs mächtig sei, mache ein fetter alter Kerl wie er immer ein paar Punkte gut. Auch wolle er Magnus’ Meinung zu den Fresken dieses allseits bewunderten, wenn auch seit zwei Jahren toten Malermeisters, dieses Giovanni Battista Tiepolo, hören. Er persönlich ziehe die handfesteren, nämlich das wahre Leben zeigenden Werke eines Francesco Guardi oder Pietro Longhi vor, aber er lasse sich gerne belehren. Ab und zu.
    Magnus stieg bei der Rialtobrücke aus, zwischen den Booten am Anleger der Fondaco war keine Handbreit Platz gewesen. Er blickte Hobson in seiner Gondel nach, die auf dem vom emsigen Bootsverkehr unruhigen Wasser des Canal davonschaukelte. Als Claes Herrmanns ihm die Empfehlung in die Hand drückte, hatte er mit einem gesetzten englischen Gentleman gerechnet, keinesfalls mit einem schillernden Exemplar wie Howard Hobson. Eine angenehme Enttäuschung!
    Er betrat den quadratischen Innenhof des

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