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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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wunderbar sein, und die Luft war so nah an der weiten Wasserfläche selbst im Sommer erheblich besser als in manchen der vornehmeren Straßen.
    Die Ausstattung des Hauses zeugte von Wohlhabenheit, jedenfalls soweit Wagner es erkennen konnte. Madam Pauli hatte ihn in der Diele warten lassen und auch nicht weiter hereingebeten, weder in das Kontor noch in den Salon. Immerhin hatte sie ihm einen der harten Stühle mit den hohen geschnitzten Lehnen angeboten, die in der Diele nahe der kalten Feuerstelle standen, und sich ihm gegenübergesetzt.
    Sie war tatsächlich schön, sogar in Wagners Augen, der nicht immer sah, was seine Frau sah. Sie saß sehr aufrecht, ganz die erste Dame des Hauses, und war perfekt frisiert, ihr Hausgewand, ein Negligé aus schwerer Lyoner Seide, war für einen schlichten Nachmittag allerdings eindeutig zu fein. Vielleicht war es ihre Gewohnheit, so die Waren des Hauses zu präsentieren. Vielleicht liebte sie auch nur das Rascheln und Knistern der edlen Stoffe.
    Zufrieden, gar glücklich sah sie allerdings nicht aus. Aber warum sollte sie ein so privates Gefühl einem Fremden zeigen? Trotzdem, die Strenge des Mundes war wie eingraviert. Stolz? Ja. Glücklich? Nein. So befand Wagner und runzelte über sich selbst die Stirn. Früher wäre ihm so etwas nicht einmal eingefallen, geschweige denn, dass er einem solchen Gedanken weiter nachgehangen hätte.
    «Nun, Weddemeister», Madam Pauli klang klar, kühl und ob seines Schweigens amüsiert, «ich bin hier. Wie unser Diener Euch schon sagte: Mein Mann ist außer Haus, er macht nur einen Krankenbesuch bei Nachbarn, die bedauernswerte Madam Hegolt ist schon lange leidend, es ist ein Jammer. Sicher ist er bald zurück, bis dahin müsst Ihr mit mir vorliebnehmen. Leider ist meine Zeit begrenzt.»
    «Pardon, Madam.» Wagner war froh, dass sein deutlich fühlbares Erröten in der schlechtbeleuchteten Diele sicher nicht zu erkennen war. «Ja, gewiss. Nur einige Fragen, Madam. Obwohl, genau genommen, zuerst eine Auskunft. Es steht nämlich zu vermuten, dass eines Eurer – nein, lasst mich doch zuerst fragen: Kann es sein, Madam, dass Euch ein Mitglied Eures Haushaltes fehlt? Eines Eurer Mädchen? Eine Magd?»
    Das Amüsement verschwand aus Madam Paulis Gesicht. «Fehlt? Das klingt nach einem Handschuh, einer Münze oder einem Mops. Tatsächlich hat uns eines unserer Mädchen vor geraumer Zeit verlassen, ohne das Ende des Kontraktes abzuwarten oder auch nur Bescheid zu geben. Ich war damals sehr verärgert, das werdet Ihr verstehen, andererseits hat sie dafür auf einen großen Teil des Lohns verzichtet, der ihr noch zustand. Ich hatte gedacht, sie werde schreiben, das kann sie nämlich recht gut, und den Lohn fordern. Ich glaube», sagte sie plötzlich wieder ganz gelassen und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, «ja, ich glaube, ich hätte geantwortet. Allerdings nur um sie aufzufordern, sich ihr Geld abzuholen, wenn sie es haben wolle. Ich hätte nicht einmal daran gedacht, es einem Boten mitzugeben und den womöglich zu bezahlen.»
    Als sie leise lachte, hatte Wagner das unangenehme Gefühl, Teil einer Posse zu sein. Er hatte nie davon gehört, dass Dienstboten ihre schmählich im Stich gelassene Herrschaft schriftlich um die Zusendung des restlichen Lohnes baten. Er hatte keinerlei persönliche Erfahrung mit Bediensteten und deren möglichen Capricen, aber natürlich wusste er, dass sie ab und zu entliefen, weil sie etwas gestohlen hatten, weil sie geschlagen wurden, aus Abenteuerlust – es gab viele Gründe.
    «Nun, Madam, Eure Zeit ist begrenzt, wie die meine. Sie hat also nicht geschrieben, und Ihr habt nie wieder von ihr gehört? Ja? Das dachte ich. Habt Ihr Euch keine Sorgen gemacht? Ob ihr etwas, nun ja, etwas zugestoßen ist?»
    «Nein, Weddemeister, das habe ich nicht, auch sonst niemand im Haus.» Madam Pauli saß nun wieder ganz aufrecht. «Jetzt verstehe ich! Wollt Ihr mir etwa weismachen, diese Tote, die man gestern aus der Alster gezogen hat, sei Wanda? Das ist Unsinn. Sie hat uns und die Stadt im Februar verlassen, und ich bin sicher, das undankbare Geschöpf ist inzwischen in Italien, in Venedig genauer gesagt. Sie amüsiert sich und begreift nicht, dass sie in ihr Unglück läuft, ach, was sage ich: rennt, stürzt. Es ist immer wieder die gleiche Geschichte: nicht mehr jung, aber verliebt und gutgläubig. Bald verschwindet der Galan, und es bleibt nur noch das Elend. Ein Bankert, Verlassenheit, Armut – der Tod. Eine Straßenecke, im

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