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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Paulis. Da hab ich mich nach vorn zum Ufer durchgedrängelt, und dann – verdammt, Mine, hör doch mal auf mit der dämlichen Stickerei. Wanda ist tot, und du stickst und stickst und stickst.»
    «Das ist meine Arbeit, Janne, kein Vergnügen. Wanda ist tot, ja, soll ich nun die Hände in den Schoß legen? Was erwartest du? Was soll ich tun? Oder wir?»
    «Ich weiß es nicht. Du bist doch die Schlauere.» Janne stand auf und begann unruhig in der engen Stube hin und her zu gehen, zwei Schritte hin bis zur Truhe und der knarrenden Diele unter dem Fensterchen, zwei zurück bis zum Ofen neben der Tür, zwei Schritte bis zur Truhe …
    Wilhelmine sah dieser unruhigen Wanderung eine Weile zu. «Setz dich», sagte sie dann. «Bitte. Du machst mich ganz rappelig.»
    Janne war zu aufgewühlt, um still zu sitzen, aber sie hörte auf, hin und her zu gehen, und lehnte sich gegen eines der Regale. «Ich hab gedacht, sie hat es gut gemacht und ist wirklich abgehauen», sagte sie mit rauer Stimme. «Klar, ich war auch wütend, als sie plötzlich weg war, ohne uns was zu sagen. Ohne Abschied, dazu bei so eisigem Wetter. Aber ich fand es gleich seltsam, als die von ihrem Haus zuerst sagten, sie wissen nicht, wo sie ist, und dann verbreitet ihre Hausfrau, diese hochnäsige Pauli, Wanda ist nicht mehr in der Stadt. Sie lebt jetzt bei ihrer Schwester in Nürnberg, soll sie gesagt haben. Hat man so was Verrücktes schon gehört? Ihre Schwester! Die muss doch gedacht haben, was wir gedacht haben. Und dann kommt sie mit Nürnberg! Schlau, das muss man ihr lassen. Wer kennt sich schon in einer Stadt aus, die so weit weg ist? Ich wusste gar nicht, dass es eine gibt, die so heißt.» Janne kannte die Namen vieler Hafenstädte, sogar einiger jenseits des Ozeans, aber der Süden des Reiches, dazu in der Mitte des Kontinents, war für sie eine so unbekannte wie uninteressante Weltgegend. «Und jetzt – in der Alster und …»
    Der unbeendete Satz hing in der Luft wie klebrige Spinnweben in dunklen alten Gewölben. Die beiden Frauen schwiegen wieder, sie sahen einander nicht an. Vielleicht dachten beide das Gleiche.
    «Wanda ist nicht einfach nur tot», flüsterte Janne schließlich. «Hast du das auch gehört? Auf unseren Straßen?»
    «Ja.» Wilhelmine ließ ihre Arbeit sinken und blickte Janne an, wieder mit diesem ausdruckslosen Blick. «Ja. Das habe ich auch gehört. Jemand hat sie getötet. Was auch sonst? Sie war keine, die ihr Leben müde war. Sie war immer froh. Ich habe nie verstanden, wo sie ihre beständige Heiterkeit hernahm.»
    Diesmal war es an Janne zu schweigen. Beständige Heiterkeit? Das stimmte nicht. Wanda hatte auch dunkle Tage gehabt. Davon wollte Mine nichts wissen, hatte sie nie gewollt.
    «Und jetzt?»
    «Was meinst du mit ‹Und jetzt?›?» Endlich schwang in Wilhelmines Stimme doch Ungeduld mit. «Da gibt es für uns nichts zu tun. Jetzt nicht und zukünftig nicht. Außer trauern. Oder willst du zu diesem dicken kleinen Weddemeister gehen? Genau», fuhr sie nachdrücklich fort, als Janne nur schweigend den Kopf senkte, «genau. Was sollten wir dem auch zu erzählen haben? Gar nichts.»
    «Gar nichts», bestätigte Janne. «Natürlich. Gar nichts. Es ist nur – ich habe wieder an Elfchen gedacht. Da dachte ich, erst Elfchen, jetzt Wanda, das ist doch …»
    «Unsinn! Nur blanker Unsinn! Elfchen ist vor mehr als zehn Jahren gestorben. Du weißt genau, wie krank sie war. Und diese Schweine, bei denen sie leben musste und schuften, bis sie nur mehr ihr eigener Schatten war, haben nichts getan, ihr zu helfen. Nichts! Für die war sie nur billig. Und wehrlos. Ohne Hilfe. Und leicht zu ersetzen.»
    Da gab sich Janne einen Ruck und tat, was sie seit etlichen Jahren nicht mehr gewagt hatte. Sie umarmte Wilhelmine, nahm sie einfach in die Arme, umschloss und hielt sie fest und warm, bis Wilhelmine nicht mehr in ihrem plötzlich aufbrechenden Zorn bebte und sie sich freimachte. Niemand hatte das zarte Elfchen so geliebt wie Mine, doch anders, als Janne angenommen hatte, hatte sie nicht geweint. Jetzt nicht.
    «Ich muss wieder in meinen Laden.» Wilhelmines Stimme klang nur wenig belegter als gewöhnlich, sie neigte sich lauschend zur Tür. «Das sind mehr als zwei, sogar mehr als drei Stimmen. Das schafft Regina nicht allein. Am besten nimmst du den Weg durch die Küche und die hintere Pforte», fügte sie hinzu. «Es ist ja gerade noch hell, da findest du den Weg durch die Höfe leicht.»
    Janne war nicht beleidigt. Der

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