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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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dienendem Wasser, in dem er gerade eine tote, schon aufgedunsene Ratte entdeckt hatte; in den Ecken sammelte sich Abfall, schwappte faulig in den toten Seitenarmen der Kanäle.
    Er war rasch dorthin gelangt, wo keine reichgestalteten Fassaden, Fenster, Dachsimse und Portale zu bewundern waren, wo schlichte, oft nur ein- oder zweietagige Häuser die Kanäle und Gassen säumten. Hier lebten die Handwerker und die einfachen, auch die armen Leute, die wie überall sonst auf der Welt die große Mehrheit ausmachten. Da waren auch die Kranken gewesen, die Bettler, hungrige Kinder.
    Er hatte sich treiben lassen, war immer wieder an den Rand der Inselstadt geraten, hatte zu den Friedhofsinseln hinübergeschaut, an anderer Stelle zum Festland oder zu der Giudecca, der vorgelagerten, langgestreckten Insel, auf der reiche Familien ihre Sommervillen, Gärten und Parks hinter hohen Mauern schützen.
    Er war am strikt abgeschlossenen Arsenal vorbeigekommen, der legendären, von steinernen Löwen und hohen Mauern bewachten Schiffswerft. Und plötzlich hatte er sich vor einem großen, noch offenen Tor wiedergefunden, dahinter ganz andere, nämlich schmale, hochaufgetürmte Häuser, und gleich gewusst, wo er war. In Venedig mussten die Juden in einem eigenen, nachts versperrten Viertel leben, und weil das zu klein war, zeitweilig viel zu klein, hatten die Bewohner ihre Häuser immer wieder aufgestockt. Das war das Ghetto , Magnus hatte davon gehört, das nach einer Gießerei benannte Viertel der Juden.
    Er wusste, dass es das in etlichen Städten gab. In Hamburg, erst recht im benachbarten, in Glaubens- und Zunftregeln noch erheblich freieren Altona gab es so etwas nicht. Auch dort unterlagen die Juden strikten Bestimmungen und den ihr Leben und Arbeiten einengenden Verboten, sie wurden jedoch nicht auf ein Quartier beschränkt und wie hier für die Nacht eingesperrt und mussten auch keine für alle deutlich sichtbaren Kennzeichen tragen, wie einen roten Hut oder gelbe Kreise und Sterne auf der Kleidung. Trotz seiner Neugier war er weitergegangen, um nicht wie ein Eindringling zu erscheinen, wie einer, der eine Menagerie besichtigt oder die Kranken im Pesthof auf dem Hamburger Berg.
    Das Verschließen der Tore habe auch Vorteile, hatte Hobson später erklärt, es gebe ja viele, die die Juden nicht mögen, sie von Zeit zu Zeit sogar aufs heftigste verfolgten. Er selbst halte das für dumm, aber es gehe ihn nichts an, schließlich kenne er keine persönlich. Hinter einem geschlossenen und von außen bewachten Tor könne man ruhig schlafen, das sei sicher recht angenehm.
    Magnus hatte etwas von «Wahrscheinlich ist es so» gemurmelt und dann geschwiegen. Er hatte sich nie Gedanken über die Juden gemacht, auch er kannte keine persönlich, jedenfalls wusste er von keinem. Es war, wie es war, dennoch blieb der Anblick des Tores und der gedrängt stehenden hohen Häuser in seinem Kopf.
    «Die Mädchen», Hobsons freudig erregte Stimme holte ihn in den Saal zurück, «die Waisenmädchen. Sie sind superb. Habt Ihr sie schon gehört?»
    Magnus hatte gedacht, die weithin berühmten Chöre der hiesigen Waisenmädchen mit ihren meisterhaft ausgebildeten Stimmen sängen nur in den Gottesdiensten. Aber wie hatte Hobson gesagt? In dieser Stadt könne man alles kaufen. Da heute ein Kardinal unter den Gästen war, sangen sie vielleicht ihm zu Ehren, und alles hatte seine Ordnung.
    Magnus lächelte über seine eigenen Gedanken. Womöglich unterschied er sich gar nicht so sehr von Hobsons Familie, vor deren Verachtung für Luxus und Vergnügen er nach Venedig geflohen war? Gar so arg, hoffte er, sei es nun doch nicht.
    Endlich wurde die Tafel aufgehoben, und man begab sich an die Spieltische. Während Magnus noch nach einer wirklich guten und die Höflichkeit wahrenden Ausrede suchte, den gefährlich verführerischen Karten, am besten überhaupt der ganzen Gesellschaft zu entkommen und sich eine vergnügliche Taverne zu suchen, ein Kaffeehaus oder eine Trattoria, winkte Hobson ihm eifrig zu. Er stand bei einem neben dem beleibten Engländer hager wirkenden, Mann, er war auch im Vergleich schlicht gekleidet, wobei der Ring auf dem Mittelfinger seiner linken Hand jedem Zweifler bewies, dass es sich um einen wohlhabenden, nur Prunksucht und Angeberei verachtenden Signore handelte.
    Hobson stellte die beiden Männer einander vor, leider verstand Magnus den Namen nicht gut, er würde später noch einmal fragen müssen. Der Signore, raunte Hobson dann direkt

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