Die Schwestern von Rose Cottage: Jo (German Edition)
erneuern.
Jo war damals noch so unschuldig gewesen und hatte ihm vollkommen vertraut. Sie hatte so fest an ihn geglaubt, dass sie ihm nicht nur ihren Körper, sondern auch ihr Herz geschenkt hatte. Und er war mit diesem Geschenk viel zu leichtsinnig umgegangen.
Bis jetzt hatte Jo noch nicht gesagt, wie lange sie plante, in Virginia zu bleiben. Er aber hatte vor, jede Minute zu nutzen. Er musste herausfinden, wie viel von den Gefühlen übrig geblieben war, die sie einst füreinander empfunden hatten. Als er sie geküsst hatte, hatte er einen Moment lang Sehnsucht in ihren Augen aufflackern gesehen, das gleiche Verlangen, das auch er empfunden hatte. Dies könnte der Beginn sein, aber er durfte auf keinen Fall etwas überstürzen. Sie litt noch unter der letzten Trennung, und er wollte ihre Verletzlichkeit auf keinen Fall ausnützen.
Nein, er war älter und hoffentlich klüger geworden. Dieses Mal würde er keine Fehler machen, die ihm nur Schuldgefühle und Schmerz einbrachten. Und da Jos gesamte Familie ihn mit Argusaugen beobachtete, würde er sowieso auf keinen Fall etwas tun, was seine Motive infrage stellen könnte. Nein, er würde sich wie ein perfekter Gentleman benehmen – selbst wenn es ihn umbringen sollte.
Zufrieden, dass er alles überdacht hatte – zumindest alles, was seiner Kontrolle unterlag –, lief Pete schließlich die Treppen zu seinem Haus hinauf. Er hatte kaum die Tür erreicht, als er das Telefon klingeln hörte. Obwohl er sich beeilte, hatte der Anrufer bereits wieder aufgelegt. Die Nummer auf dem Display verriet ihm, dass Kelsey oder sein Sohn angerufen haben mussten. Obwohl er keine besondere Lust hatte, mit seiner Exfrau zu sprechen, rief er sofort zurück. Es könnte ja auch Davey gewesen sein. Oder vielleicht wollte Kelsey mit ihm über den Jungen sprechen.
Bereits beim ersten Klingelzeichen nahm Davey ab. „Hallo“, stieß er mit leiser, bebender Stimme hervor.
Pete spürte, dass der Junge Angst haben musste, und versuchte, ruhig zu bleiben. „He, Kleiner, ich bin es, Dad. Wie geht es dir?“
„Woher wusstest du, dass ich es war, der angerufen hat?“, fragte sein Sohn überrascht und sichtlich erleichtert.
„Das kann ich auf dem Display sehen. Wieso hast du mir keine Nachricht hinterlassen?“
„Ich weiß nicht.“
„Du weißt, dass du mich jederzeit anrufen kannst, nicht wahr?“
„Glaub schon.“
Irgendetwas stimmte nicht. Davey telefonierte gern mit ihm, aber er hatte normalerweise einen Grund und sprudelte dann über vor Begeisterung. Heute Abend war er erstaunlich zurückhaltend. „Was ist los, Junge? Geht es dir gut?“
„Ich glaube schon.“
„Ist in der Schule alles in Ordnung?“
„Nehme ich an.“
„Ist deine Mom in der Nähe?“
Davey zögerte, und Pete wusste, dass er das Problem gefunden hatte. „Wo ist deine Mom?“, fragte er.
„Sie ist mit einem Mann ausgegangen. Der, von dem ich dir erzählt habe.“
„Harrison?“
„Ja.“
„Ist denn jemand bei dir?“
„Ich brauche keinen Babysitter“, erklärte Davey brav. „Ich bin fast sieben Jahre alt.“
Pete unterdrückte einen Fluch. Fast sieben! Typisch Kind. Er war gerade erst sechs Jahre alt geworden, und er konnte es kaum erwarten, ein Jahr älter zu sein. Mit sechs war man viel zu jung, um nachts allein zu bleiben, besonders in einer Großstadt. Und mit sieben wäre das ebenso.
In der Provinz war das noch etwas anderes. Aber selbst hier in Irvington würde Pete ein Kind nachts nicht allein in einem Haus zurücklassen. Kinder brauchten Aufsicht, ob sie es wollten oder nicht. Er bekam eine Gänsehaut bei dem Gedanken, was dem Jungen alles zustoßen könnte.
„Seit wann ist deine Mutter denn fort?“, fragte er und war bemüht, Davey nicht spüren zu lassen, wie zornig er war.
„Noch nicht sehr lange. Zwei Stunden vielleicht.“
„Hat sie eine Nummer hinterlassen?“
„Ich habe ihre Handynummer“, berichtete Davey. „Sie hat mir versprochen, es nicht auszustellen.“
Pete kochte vor Wut. Er würde ihr ihren Leichtsinn und ihre Nachlässigkeit wohl unter die Nase reiben müssen. Vielleicht war es an der Zeit, dass er vor Gericht ging, um das Sorgerecht für seinen Sohn zu bekommen. Langsam fragte er sich, ob er dieser Frau Davey überhaupt überlassen durfte. Zu oft stellte Kelsey in letzter Zeit ihr privates Vergnügen über das Wohlergehen des Jungen.
„Dad, bitte, sei nicht böse auf Mom“, bat Davey, der offensichtlich spürte, dass er zu viel gesagt hatte.
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