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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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Als ahnte er, wie es in ihrem Inneren wirklich aussah, wie sehr sie es hasste, die Laute, die sie nicht hören konnte, aus ihrem Mund zu bringen.
    Er griff ihr wie früher in den Mund. Seine schwitzigen Finger berührten ihre Hüften, ihre Taille und den Rock über ihren Beinen, wenn er vor ihr saß. Manchmal streichelte er ihr über das Haar, nur um sie im selben Atemzug zu beleidigen.
    »Ein Gesicht und das Haar wie ein Engel und die Laute eines Affen!«
    Prüfend schaute er sie dabei an, die Finger unter ihr Kinn gelegt, sodass sie den Kopf nicht senken und seinem Blick standhalten musste. Es war schlimmer als in ihren Albträumen. Sie versuchte an Edward zu denken, an seine Berührungen auf ihrer Haut und an die Schachpartien, die sie mit ihm gespielt hatte. Wie oft hatte sie ein Spiel schon verloren geglaubt, und dann hatte ein einziger Zug alles verändert …
    Ihr war inzwischen klar geworden, dass sie Hilfe brauchte, wenn sie aus St. Mary’s Home entkommen wollte. An einem Nachmittag ging sie schließlich zu Gordon. Er saß in der Bibliothek mit einem anderen Mann ausgerechnet bei einer Partie Schach zusammen. Der Anblick schmerzte sie und ließ jäh die Erinnerung an Edward aufflammen. Am liebsten wäre sie wieder gegangen, doch Gordon hatte sie bemerkt. Er nickte ihr zu, und so blieb sie an der Wand stehen und verfolgte, wie die beiden ihre Partie spielten.
    Gordon war der Bessere, er spielte intelligent, und es verwunderte sie nicht, dass er schnell gewann. Erst jetzt fiel ihr auf, dass alle in der Bibliothek sich in der Gebärdensprache verständigten. Ein junger Mann, der auf der Türschwelle zum Flur stand, hatte anscheinend die Aufgabe, sie zu warnen, wenn sich das Aufsichtspersonal auf seinen Runden näherte.
    Der Mann, der die Schachpartie verloren hatte, war aufgestanden. Gordon blickte zu Amalia und deutete auf den Stuhl vor sich. Zögernd nahm sie Platz.
    Eine Partie? Er wies fragend auf das Schachbrett.
    Sie schüttelte den Kopf, so unvorstellbar schien es ihr, dieses Spiel mit einem anderen Mann zu spielen.
    Sie bewegte die Hände. Ich brauche deine Hilfe.
    Seine grauen Augen musterten sie. Dann stand er auf und gab ihr mit einem Zeichen zu verstehen, dass sie ein paar Schritte zusammen gehen sollten. Sie traten nach draußen in den Flur.
    Fragend blickte er sie an.
    Ich will weg von hier.
    Überrascht und auch ein wenig spöttisch blickte er sie an. Du willst fort? Du meinst fliehen?
    Ja .
    Sein Gesicht nahm einen nachdenklichen Ausdruck an. Es ist schwierig, hier rauszukommen. Er bewegte die Hände, und seine Gebärden waren bildlich genug, dass sie sie verstehen konnte. Man würde dich sofort suchen . Er zuckte die Achseln. Du bist taub, du hast kein Geld … und bist schön – du würdest überall auffallen.
    Einen Moment lang ließ sie diese Tatsachen, die unleugbar stimmten und über die sie schon selbst nachgedacht hatte, in ihrem Inneren verhallen. Sie schaute ihn an. Wirst du mir trotzdem helfen?
    Eine Ewigkeit schien zu vergehen. Doch schließlich nickte er.
    104
     
    Sherwood, Spätherbst 1895
    E r kam spät und hatte getrunken. Elisabeth sah es ihm schon von Weitem an. Sein Schritt war weniger fest, seine Bewegungen waren fahrig, und sein Haar, das sonst glatt am Kopf anlag, wirkte, als sei der Wind hindurchgefahren.
    »Guten Abend.« John mied ihren Blick, denn er wusste, wie sehr sie es hasste, wenn er zu viel trank.
    »Wie laufen die Geschäfte?«
    Er zuckte die Achseln, als würde es ihn wenig interessieren, und starrte in den Kamin. Der Butler brachte ihm seinen gewohnten Whisky, und er trank ihn bereits im Stehen. Sie nahm voller Missbilligung wahr, dass seine Augen noch glasiger wirkten, als sie vermutet hatte.
    »Warst du in Plymouth?«, bemühte sie sich um ein Gespräch.
    »Ja, und in Tavistock – im Klub!«
    »Nun, das ist nicht zu übersehen«, entfuhr es ihr spitz.
    Er wandte den Kopf zu ihr, und die Kälte, die ihr aus seinem Gesicht entgegenschlug, erschreckte sie.
    »Aber das hast du doch immer gewollt, oder? Dass ich mehr Zeit mit all diesen hochwohlgeborenen Herren verbringe«, stieß er beißend hervor.
    Sie blieb ruhig. »Du bist ungerecht. Du selbst hast immer betont, welche ungeheuren Vorteile dir diese Verbindungen für deine Geschäfte gebracht haben.«
    »Ja, das haben sie. Und nun werde ich auch noch der Schwiegervater eines echten Lords. Alles ist genauso verlaufen, wie du es dir gewünscht hast. Bist du etwa nicht zufrieden?« Der Sarkasmus in seiner

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