Die Schwestern von Sherwood: Roman
Stimme war nicht zu überhören, und sie zuckte innerlich zusammen.
»Es war richtig, was wir getan haben, John«, sagte sie leise. »Für Cathleen, für uns und auch für …« Sie kam nicht dazu, den Satz zu beenden.
»Schweig!«, fuhr er sie an. Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, verließ er den Salon.
Betroffen sah sie ihm hinterher. Einen Augenblick lang war sie in Versuchung, ihm nachzulaufen. Sie wünschte sich, alles wäre wieder wie früher, und erinnerte sich daran , wie sie oft gemeinsam hier vor dem Kamin gesessen und über seine Geschäfte und ihre Pläne für die Zukunft gesprochen hatten. Die Geschichte mit Amalia hatte eine tiefe Kerbe zwischen sie geschlagen. Selbst aus der Entfernung besaß sie noch die Macht, alles zu zerstören, dachte Elisabeth aufgebracht.
Sie seufzte. Natürlich hatte sie geahnt, dass John die Entscheidung früher oder später bereuen würde. Sie kannte ihn, und das war einer der Gründe gewesen, weshalb sie darauf gedrungen hatte, unabänderliche Tatsachen zu schaffen. Von dem Moment an, als sie Amalias Umhang und den Schuh in den Fluss geworfen und dann behauptet hatten, sie sei verschwunden, hatte es keinen Weg mehr zurück gegeben.
Elisabeth ließ sich in einen der Sessel vor dem Kamin sinken und zog sich die engen Handschuhe von den Fingern, unter denen ihre Hände schon den ganzen Tag schwitzten. John war schwach. Im Grunde war er das schon immer gewesen – trotz seines geschäftlichen Erfolges. Verstand er nicht, dass Amalia, nach dem, was geschehen war, ohnehin nicht hätte hierbleiben können? Elisabeth erinnerte sich, wie Lady Hampton ihr an jenem Nachmittag alles erzählt hatte. Sie war fassungslos gewesen. Edward und Amalia sollten ein Verhältnis haben? Sie hatte tatsächlich nichts davon geahnt.
Schon seit Wochen, erklärte ihr Lady Hampton, deren Gesicht einer starren Maske glich, als sie ihr auch berichtete, dass ihr Sohn sich mit dem Gedanken trug, Amalia statt Cathleen zur Frau zu nehmen. Die seltsame Szene bei dem Besuch der Hamptons und Amalias schreckliches Verhalten ergaben auf einmal einen Sinn.
»Ich werde es nicht zulassen. Niemals. Vielleicht werden wir in den Ruin stürzen, aber glauben Sie mir, Mrs Sherwood, vorher werde ich Mittel und Wege finden, dass Ihnen der Zugang zu jeder besseren Familie Englands in alle Ewigkeiten verwehrt bleibt! Meine Verbindungen reichen bis an den Hof, und jeder wird erfahren, in welch schamloser Weise sich Ihre Tochter meinem Sohn wie eine Hure angeboten hat …« Die Wörter waren klirrendem Eis gleich aus ihrem Mund gekommen, und Elisabeth zweifelte keine Sekunde, dass Lady Hampton es ernst meinte. Sie verstand, dass es einer jener Momente war, in denen das Leben, wenn man nicht aufpasste, unwiderruflich für immer aus der Bahn geraten konnte. Ihre Zukunft würde ruiniert sein. Dabei konnte sie Lady Hampton ihre Drohung nicht einmal übel nehmen. Es war einfach unvorstellbar, ja lächerlich, dass Amalia die Frau von Edward Hampton würde.
»Sie müssen mir glauben, dass mir selbst genauso wie Ihnen daran gelegen ist, dass Edward Cathleen heiratet«, hatte sie beteuert. Sie meinte es ehrlich. Was war ihr Aufstieg schon wert, wenn die eigene Tochter sie damit gleichzeitig dem Gespött preisgab? Amalia musste fort – weit fort, wurde ihr klar, und sie teilte ihre Gedanken auch Edwards Mutter mit.
Lady Hampton, die nach und nach zu begreifen schien, dass Elisabeth die Wahrheit sprach, schwieg.
»Ich fürchte, weit fort wird nicht reichen«, sagte sie schließlich. »Aus unerfindlichen Gründen glaubt mein Sohn, Ihre Tochter Amalia zu lieben.«
Sie würde etwas unternehmen, hatte sie Lady Hampton versichert, und am Abend hatte Elisabeth dann mit John gesprochen. »Siehst du, welche Gefahr Amalia darstellt? Man kann sie nicht einfach sich selbst überlassen! Wir haben noch Glück gehabt. Stell dir nur vor, sie wäre schwanger geworden. Sie hätte unseren gesamten Ruf und Cathleens Zukunft für immer ruiniert«, hatte Elisabeth hervorgestoßen.
John war ebenso schockiert über Amalias moralische Verfehlung. In diesem Moment war er ganz auf ihrer Seite gewesen. Er sah, genau wie sie, die gefährlichen Konsequenzen, wenn Lady Hampton ihre Drohung wahr machte. Selbst seine Geschäfte konnten in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn sie gesellschaftlich geächtet wurden. Alles stand auf dem Spiel. Es war einfach gewesen, Johns Gedanken weiter in die richtige Richtung zu lenken.
Das Unwetter hatte ihnen
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