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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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selbst schreckliche Vorwürfe machen, ahnte sie.
    Angespannt wartete sie auf seine Rückkehr. Als sie die Kutsche unten im Hof einfahren hörte, zwang sie sich, die schrecklichen Bilder von dem Brand noch einmal in ihrem Kopf aufsteigen zu lassen. Doch es war vor allem die Angst vor Johns Reaktion, die ihr half, die Tränen erneut fließen zu lassen. Mit dem Brief und dem kleinen Kästchen in der Hand begab sie sich nach unten.
    »John …«
    Er blieb überrascht in der Halle stehen, als er sie auf der Treppe entdeckte. Dann sah er ihre geröteten Augen. »Was ist passiert?«
    »Ich muss mit dir sprechen. Würden Sie bitte dafür sorgen, dass uns niemand stört, Arthur?«, bat sie den Butler mit erstickter Stimme. Sie ging in den Salon, und ihr Mann folgte ihr.
    »So sag doch etwas«, bat er. »Ist etwas mit Cathleen?«
    Sie schüttelte den Kopf und fand es an der Zeit, noch einmal zu schluchzen. »Nein, Amalia …«
    Stumm reichte sie ihm den Brief und das Kästchen und sah zu, wie er las und dann den Deckel öffnete.
    Er wurde bleich, kreidebleich, und seine Mundwinkel zuckten. Als er schließlich den Kopf hob und sie anblickte, standen Tränen in seinen Augen. Noch nie hatte Elisabeth ihn so erlebt.
    »Wir haben sie umgebracht!«, stieß er hervor.
    Ungläubig schaute sie ihn an. »John, nein, es war ein Unglück! Es war nicht unsere Schuld.«
    Er starrte sie an. »Doch, wir haben sie dort hingebracht. Wir haben behauptet, dass unsere eigene Tochter tot ist, und nun ist sie es tatsächlich! Wir sind nicht besser als irgendwelche Mörder.« Seine krächzende Stimme klang, als würde er den Verstand verlieren. Elisabeth warf einen schnellen Blick zur Tür. Wenn die Dienstboten nur nichts hörten! Er war nicht mehr Herr seiner selbst.
    Sie ging einen Schritt auf ihn zu und fasste ihn am Arm. »John, es ist entsetzlich, was geschehen ist, und zerreißt mir genauso das Herz …«
    »Dir? Fass mich nicht an!« Er riss seinen Arm von ihr los und schaute sie angewidert an. Dann stürzte er an ihr vorbei aus dem Salon. Entsetzt sah sie ihm hinterher.
    Zwei Tage lang schloss er sich in sein Büro ein und kam nicht heraus. Immer wieder ging Elisabeth an seine Tür und klopfte, doch er reagierte nicht. Er trank. Sie konnte hören, wie Glas klirrte und er polternd durch den Raum lief. Manchmal vernahm man, wie er lallend etwas sagte.
    Als er schließlich wieder herauskam, schien er um Jahre gealtert und wirkte wie ein anderer Mensch. Mit seinen geröteten Wangen, den glasigen Augen und dem Gestank nach Alkohol, den er aus jeder Pore ausstieß, erinnerte er sie daran, wie er früher einmal gewesen war. Damals, als er alles Geld verlor und von seiner eigenen Hände Arbeit leben musste. Auch sein teurer Anzug und das maßgeschneiderte Hemd konnten daran nichts ändern. Elisabeth gab sich keine Mühe, ihre Verachtung über seinen Zustand zu verstecken.
    Er wankte, als er die Treppe hinunterstieg.
    »John«, sagte sie.
    »Arthur, meinen Hut und Mantel!«, bellte er.
    Sie sah zu, wie er sich unbeholfen von dem Butler in die Kleidung helfen ließ. Arthur, ein Vorbild seiner Berufsgattung, zuckte nicht einmal mit der Wimper, als er den Alkohol roch.
    »Ich fahre nach Tavistock, in den Klub!«, stieß John hervor und entschwand durch die Tür.
    Sie hätte ihn daran hindern müssen. Doch sie kannte ihn gut genug – er würde in diesem Zustand nicht mit sich reden lassen. Es würde alles nur noch schlimmer machen.
    Als sie hörte, wie die Kutsche den Hof verließ, ballte sie die Fäuste. Sie konnte nur hoffen, dass man ihn in diesem Zustand erst gar nicht in den Klub ließ.
    119
     
    C athleen stand still vor dem Spiegel, während die Zofe an ihrem Rücken die Knöpfe des Kleids schloss. Es war aus einer matten, dunkelgrünen Seide genäht, an der Seite und am Volant in einem helleren Ton abgesetzt, und gehörte noch zu den Kleidern, die sie in Paris gekauft hatte. Wie lange das her war, dachte sie traurig. Alles hatte sich seitdem verändert. Wie jeden Tag dachte sie an Amalia. Sie fehlte ihr unerträglich.
    Cathleen war einsam in Hampton. Edward war oft unterwegs und wenn nicht, verspürte er selten Lust auf gesellschaftliche Vergnügungen. Wenn sie zu einem Dinner oder Ball gingen, schien er es vor allem ihr zum Gefallen zu tun.
    »Welchen Schmuck wünschen Mylady?«
    Sie wählte ein Armband und eine schlichte Kette und betrachtete sich im Spiegel.
    »Sie sehen hinreißend aus, Mylady«, sagte die Zofe. Stolz schwang in ihrer Stimme,

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