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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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Es war geplant gewesen, dass sie morgen zu ihren Eltern fahren sollte. War etwas dazwischengekommen?
    Ungläubig las sie die Zeilen, die ihre Mutter ihr geschrieben hatte. Es tue ihr entsetzlich leid, aber sie müsse Cathleen, bevor sie von anderer Seite davon erfahre, leider darüber unterrichten, dass ihr Vater gestern Anlass für einen unangenehmen Zwischenfall im Herrenklub von Tavistock gewesen sei. Er habe zuvor offensichtlich zu viel Wein genossen und man habe ihm wegen seines Zustands den Eintritt in den Klub versagt. Unglücklicherweise habe sich ihr Vater daraufhin ein handgreifliches Gemenge mit zwei anderen Gentlemen geliefert, in Zuge dessen er einige leichte Verletzungen davongetragen habe. Sie hoffe als ihre Mutter inständig, dass das unangemessene Verhalten ihres Vaters keine Konsequenzen für Edward und ihren Ruf habe.
    Cathleen atmete scharf ein. Ihre Mutter hatte manchmal die Angewohnheit, sich etwas umständlich auszudrücken. Sie hielt das für vornehm, doch wenn sie es jetzt richtig verstand, war ihr Vater schlichtweg betrunken gewesen, und zwar so stark, dass er sich geschlagen hatte. Wie unangenehm!
    »Ich hoffe, es gibt keine schlechten Neuigkeiten«, sagte Lady Hampton, die sie beobachtet hatte.
    Cathleen errötete. »Nein, meinem Vater geht es nur nicht so gut. Ich denke, ich werde heute Nachmittag nach Sherwood hinüberfahren.«
    »Es ist doch hoffentlich nichts Ernstes? Richte bitte meine besten Genesungswünsche aus.«
    Cathleen nickte stumm. Früher oder später würde ihre Schwiegermutter die Wahrheit erfahren, aber nicht jetzt. Ihren indignierten Blick hätte sie beim Frühstück einfach nicht ertragen.
    Sie verspürte keinen Appetit mehr – sie war besorgt. Ihr Vater trank schon seit einiger Zeit zu viel. Seit dem Unglück von Amalia war das so, wurde ihr bewusst. Ihr Tod überschattete ihrer aller Leben.
    Nach dem Frühstück machte sie sich sofort auf den Weg nach Sherwood. Der Anblick ihres Vaters erschütterte sie – er hatte ein blaues Auge, eine Prellung auf dem Jochbein und eine verletzte Hand, doch das Schlimmste war sein hilfloser Ausdruck. »Es tut mir leid, Cathleen«, murmelte er mit einem Blick, der ihr ins Herz schnitt.
    »Er kommt nicht über den Tod von Amalia hinweg, oder?«, sagte sie später zu ihrer Mutter.
    Elisabeth Sherwood musterte sie scharf.
    »Nein«, gab sie schließlich zu. Sie wirkte resigniert. »Der Herrenklub will ihm die Mitgliedschaft kündigen.«
    »Ich werde mit Edward reden. Vielleicht kann er etwas tun«, versprach Cathleen.
    Sie erzählte ihrem Ehemann am Abend, was geschehen war.
    Edward blickte sie ungläubig an. »Wenn es Zeugen gibt, dass er von sich aus mit den Handgreiflichkeiten angefangen hat, wird es schwierig. So etwas wird nicht geduldet«, erklärte er. Er sah ihr betretenes Gesicht und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Es tut mir leid für ihn, Cathleen, aber vielleicht ist es im Moment besser so.« Er zögerte kurz. »Es ist nicht das erste Mal, dass dein Vater im Klub aufgefallen ist, weil er zu viel getrunken hat.«
    Sie nickte stumm. Das hatte ihre Mutter ihr ebenfalls erzählt und auch, dass ihr Vater angefangen hatte, die Geschäfte zu vernachlässigen. Was war nur mit ihm geschehen?
    120
     
    St. Mary’s Home, Frühjahr 1896
    D ie roten Äderchen auf Mr Beans’ Nase traten in seinem talgigen Gesicht noch etwas deutlicher als sonst hervor. Er war schlecht gelaunt und stand kurz davor, auf den Jungen, der vor ihm saß, einzuprügeln. Nicht einmal die Angst in dessen Gesicht versöhnte ihn mit den unartikulierten Lauten, die er hervorbrachte. Der Lehrer brachte ihn mit einer Handbewegung zum Verstummen. »Du kannst für heute gehen!«
    Fluchtartig verließ der Junge den Unterrichtsraum.
    Grübelnd wandte sich Mr Beans zum Fenster und blickte nach draußen – dorthin, wo der beim Brand eingestürzte Dachstuhl die Stockwerke mit sich gerissen hatte und nun nichts mehr außer schwarzen, verkohlten Grundmauern zu sehen war. Der andere Teil des Frauentrakts stand noch. Niemand wusste so recht, wie es zu dem Feuer gekommen war. Zwei Dienstboten waren bei dem Feuer verletzt worden und zwei Mädchen sogar darin umgekommen. Von der einen hatte man die Überreste der Leiche gefunden. Das Mädchen war durch die Explosion nach draußen geschleudert worden. Von Amalia dagegen war nichts außer einem Ring und ihre Halskette übrig geblieben. Sie war vermutlich im ersten Stock gewesen, als es dann auch noch zu der Explosion

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