Die Schwestern von Sherwood: Roman
streifte ihren Handschuh ab und strich mit den Fingern über den Stoff, ehe sie den Blick des Tuchhändlers bemerkte und begriff, dass sie einen schrecklichen Fehler begangen hatte. Er starrte auf ihre Hand – und nicht nur er, sondern auch die Kundin neben ihnen, die bei seinen Worten ebenfalls interessiert die Seide gemustert hatte. Es war Lady Lyshire – Elisabeth kannte sie vom Sehen –, und sie befand sich auch noch in Begleitung ihrer Kammerzofe. Schlimmer hätte es nicht kommen können!
Sie widerstand dem Impuls, ihre Hand einfach fortzuziehen, und atmete scharf ein. Sie achtete sonst peinlichst darauf, ihre Hände nicht mit bloßer Haut zu zeigen. Selbst im Haus trug sie für gewöhnlich leichte Spitzenhandschuhe, um sie zu verstecken, denn die Haut ihrer Finger war rot und rissig – die unschöne Erinnerung an die harte körperliche Arbeit, die sie früher verrichtet hatte. In den letzten Jahren hatte sie kaum etwas unversucht gelassen, um ihre Hände wieder schöner aussehen zu lassen. Sie hatte auf Anraten von Fanny Kuren mit Bleichmitteln, Salben und Packungen über sich ergehen lassen und über Wochen mehrmals täglich bittere Kräutertinkturen eingenommen. Das Ganze meistens ohne jedes Ergebnis, außer, dass die Haut während der Prozeduren fürchterlich schmerzte und hinterher zumeist schlimmer aussah als zuvor. Der Makel aber blieb – wie ein Brandmal, das unbarmherzig zeigte, wer sie wirklich war.
Sie bemühte sich, die Blicke von Lady Lyshire und ihrer Kammerzofe zu ignorieren. Eine Abfälligkeit lag darin, als hätten sie gerade entdeckt, dass Elisabeth aus dem Gefängnis von Princetown entflohen war. Mr Crockford zumindest war Geschäftsmann genug, um sich sofort wieder zu fangen. Elisabeth versuchte eine gelassene Miene aufzusetzen, während sie den Handschuh wieder überzog. Es fiel ihr schwer.
»Wirklich sehr außergewöhnlich«, sagte sie schließlich.
»Die Seide hat aufgrund ihrer Qualität natürlich ihren Preis«, erklärte Mr Crockford, und sie konnte sich nicht des Eindrucks erwehren, dass sich sein Ton verändert hatte und mit einem Mal eine leichte Überheblichkeit darin schwang.
»Wie viele Ballen haben Sie davon auf Lager?«
»Zwei.«
»Gut, ich nehme sie beide und würde noch drei weitere bestellen«, sagte sie – laut genug, dass es auch Lady Lyshire und ihre Kammerzofe hören konnten.
Der Tuchhändler schaute sie überrascht an.
»Das ist doch kein Problem, oder?«, fragte sie süßlich.
»Nein, nein! Selbstverständlich nicht, Madam«, versicherte Mr Crockford eilig. »Es wird mir eine Freude sein«, setzte er hinzu, und sie fuhren mit ihrer Bestellung fort.
Elisabeth schaffte es, die Fassade aufrechtzuerhalten, bis sie das Geschäft verlassen hatte. Erst in der Kutsche spürte sie, wie ihre Anspannung nachließ. Sie presste die Lippen zusammen und starrte nach draußen, während sie Tavistock verließen und wieder die Weite des Moores erreichten. Auf dem Weg nach Sherwood wurde ihr klar, dass sie etwas tun mussten.
Sie war noch wach, als John spät am Abend aus Plymouth zurückkehrte. Er freute sich, sie zu sehen, und gab ihr einen Kuss. Sie beobachtete, wie er sich in dem Sessel vor dem Kamin neben ihr niederließ und der Butler ihm einen Whisky einschenkte. Er sah noch immer gut aus mit seinem dunklen vollen Haar, in dem sich nach wie vor keine einzige graue Strähne zeigte.
»Wir haben den Auftrag von der Werft bekommen.« Er trank einen Schluck. »Ich überlege, ein weiteres Sägewerk zu kaufen, Lisbeth«, sagte er und betonte dabei die deutsche Koseform ihres Namens mit seiner typisch englischen Aussprache.
Sie nickte. »Dann würdest du mit den Planken nicht in Verzug geraten. Das ist eine gute Idee!«
Er schien erfreut über ihre Antwort, lehnte den Kopf zurück und streichelte liebevoll ihre Hand.
Sie wandte ihm das Gesicht zu. »John, ich muss mit dir über etwas sprechen.«
»Ist etwas passiert?«
Elisabeth entzog ihm ihre Hand. Ein entschlossener Zug zeigte sich in ihren blaugrauen Augen. »Ja! Ist dir aufgefallen, dass wir, seitdem wir letztes Jahr hierhergezogen sind, mit Ausnahme von den Finchers von niemandem eingeladen wurden? Weder zu einem Dinner noch zu einem der vielen Feste oder Bälle, die stattfinden? Von keiner dieser alten Familien?«
Überrascht blickte er sie an.
»Ich habe überlegt, ob wir vielleicht für irgendetwas Wohltätiges spenden sollten. Für das Waisenhaus zum Beispiel«, fügte sie hinzu.
John zog zweifelnd an
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