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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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seiner Zigarre und blies den Rauch aus. »Ich weiß nicht, Lisbeth. Muss uns wirklich wichtig sein, was diese Leute von uns denken? Wir stammen nun einmal nicht aus diesen alten Familien. Geschweige denn, dass in unseren Adern jemals blaues Blut fließen wird«, ergänzte er.
    Elisabeth presste wie zuvor in der Kutsche die Lippen zusammen. Was war schon alles Geld wert, wenn man sie wie Aussätzige behandelte und ignorierte?, dachte sie bei sich. »Unser Blut soll auch gar nicht blau sein, nur etwas ehrwürdiger«, erklärte sie. »Denk doch mal an später, lass es uns für Amalia und Cathleen tun«, setzte sie leise hinzu. »Und für deine Geschäfte könnte es auch nützlich sein. Du könntest neue wertvolle Kontakte knüpfen.«
    Sie sah, dass plötzlich Interesse in seinen Augen aufflackerte, und wusste, sie hatte ihn überzeugt. In diesem Zusammenhang verstand John sofort, wie wichtig die richtigen gesellschaftlichen Verbindungen sein konnten.
    Er nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarre. »Vielleicht hast du recht«, sagte er dann. Er strich ihr erneut über die Hand, ohne zu ahnen, dass diese der Auslöser für alles gewesen war. »Aber wenn, sollten wir es richtig machen und nicht nur dem Waisenhaus etwas spenden …«

MELINDA

12
     
    M elinda war gegen Mittag aus Kladow zurückgekehrt und hatte den ganzen Tag an einigen Übersetzungen für die britische Besatzungskommandantur gearbeitet, doch sie merkte, dass ihre Gedanken immer wieder abschweiften. Die Entdeckung, dass die rote Dame zu dem Schachspiel ihrer Mutter passte und die fehlende Figur darstellte, hatte sie aufgewühlt. Was hatte es damit nur auf sich? Auf jeden Fall stand nun wirklich fest, dass sie das Paket nicht zufällig bekommen hatte. Etwas in Melinda verspürte inzwischen nicht nur Neugier und Faszination, sondern auch Verärgerung darüber, dass man ihr den mysteriösen Inhalt ohne jede Erklärung zugesandt hatte.
    Das Schachspiel sei eine Erinnerung, hatte ihre Mutter gesagt. Aber an wen? Da ihre Mutter nie in England gelebt hatte und die Bilder und Briefe aus dem Paket zudem aus einer Zeit stammten, zu der auch sie noch nicht geboren war, war die einzige logische Schlussfolgerung, wie Melinda fand, dass das Ganze etwas mit ihrer Großmutter zu tun haben musste.
    Draußen wehte ein leichter Schneeregen gegen die Fenster, und sie legte den Stift zur Seite, um erneut nach dem Familienstammbuch zu greifen, das sie zusammen mit der Schachtel aus Kladow mitgebracht hatte. Es war zur Eheschließung ihrer Eltern ausgestellt worden und bestand nur aus einigen wenigen Seiten: Caroline Leewald, geboren 13.3.1897 , Mutter: Helene Griffith. Ein Eintrag zum Vater fehlte. Melinda entsann sich, dass ihre Mutter ihr einmal erzählt hatte, ihr Vater sei bereits 1897 verstorben, kurz nach ihrer Geburt, noch bevor sie nach Berlin gekommen waren. Sie blickte auf den Namen ihrer Großmutter: Helene Griffith … Melinda hatte sich nicht einmal mehr an ihren Nachnamen erinnert, denn ihre Großmutter war schon 1920 gestorben, im selben Jahr, als sie zur Welt gekommen war.
    Nachdenklich strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihr fiel ein, dass sie einmal ein altes Foto von ihrer Großmutter gesehen hatte. Obwohl Helene Griffith darauf nicht mehr ganz jung gewesen war, hatte man doch erkennen können, dass sie eine ungewöhnlich schöne Frau gewesen war. Weshalb war ihre Großmutter wohl aus England hierhergekommen? Melinda musste plötzlich an das Haus in Dahlem denken, das ihre Mutter ihr gezeigt hatte. Ob es sich noch im Besitz der Bankiersfamilie befand? Die Kinder mussten heute über fünfzig sein – so wie ihre Mutter, wenn sie noch leben würde. Vielleicht konnte sie von ihnen etwas über ihre Großmutter erfahren.
    Schweren Herzens zwang sie sich, sich vom Anblick des Familienstammbuchs loszureißen, um sich wieder ihren Übersetzungen zu widmen. Es handelte sich um eher eintönige Gesprächsprotokolle von Sitzungen zwischen den Briten und den deutschen Behörden. Wenn die Texte keiner Geheimhaltungsstufe unterlagen, konnte Melinda diese Arbeit zu Hause machen.
    Sie war bereits bei den letzten Absätzen der Protokolle angelangt, als sie durch ein Klingeln an der Haustür aus der Arbeit gerissen wurde.
    Melinda ging zur Tür. Es war ein Bote.
    »Fräulein Leewald?«
    Sie nickte.
    Er reichte ihr einen Brief, der vom Telegraf kam.
    »Wer ist da?«, ertönte hinter ihr die scharfe Stimme von Frau Herder.
    »Es ist für mich«, erklärte Melinda

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