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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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Kinder. Einige Schritte entfernt stand ein Junge zwischen zwei Mädchen. Die Ähnlichkeit in den Gesichtszügen der drei ließ erahnen, dass es sich um Geschwister handelte. Der Junge war älter als die meisten hier und der einzige, der nicht lachte, sondern gelangweilt über das Puppenspiel den Mund verzog. Seine dunklen Haare lagen wellig um sein ebenmäßiges Gesicht, das wie gemeißelt wirkte, und es erschien ihr, als wäre er in seiner eleganten Haltung geradewegs einem Gemälde entstiegen. Cathleen fragte sich, wer er wohl war, doch dann wurde ihre Aufmerksamkeit wieder von den Marionetten in Anspruch genommen. Über der Brüstung war die Figur eines furchterregenden Dämons aufgetaucht. Er wollte die Prinzessin entführen, und sie spürte, wie ihre Schwester ihre Hand fest umklammerte. Amalia ließ ihre Finger erst wieder los, als der Prinz den Dämon besiegt und die Prinzessin befreit hatte. Aus Dankbarkeit über die Befreiung ließ der König es zum Ende Bonbons regnen. Hände voll wurden sie in die Höhe geworfen. Die Kinder jauchzten, und Cathleen und Amalia bückten sich zwischen ihnen, um die Süßigkeiten vom Boden zu sammeln.
    Ein Mädchen mit glänzenden braunen Haaren stand plötzlich vor Amalia. Herausfordernd streckte es seine Hand aus.
    »Den Bonbon wollte ich haben!«
    Schützend stellte sich Cathleen vor Amalia. »Meine Schwester hat ihn aber zuerst gehabt«, wandte sie ein.
    »Sie hat recht, Rebecca«, sagte eine Stimme, die zu dem Jungen gehörte, der Cathleen zuvor aufgefallen war. Erst jetzt bemerkte sie, dass das Mädchen eine seiner Schwestern war.
    »Außerdem liegen hier doch überall Bonbons herum«, fügte er kopfschüttelnd hinzu und deutete auf den Boden, der übersät war mit den Süßigkeiten.
    »Aber keine Himbeerbonbons!«, widersprach Rebecca trotzig.
    Amalia, die die gesamte Zeit geschwiegen hatte, blickte von dem Jungen zu Rebecca und dann zu dem Bonbon in ihrer Hand. Schließlich drückte sie dem verdutzten Mädchen die Süßigkeit in die Hand und wandte sich wortlos einfach ab.
    Cathleen folgte ihr zu Miss Carrington, die vom Rand schon unruhig die Szene beobachtet hatte. Plötzlich spürte sie, wie sie jemand am Ärmel zog. Als sie sich umdrehte, stand der Junge vor ihr. Er hielt den Bonbon in der Hand.
    »Hier, er gehört deiner Schwester!«
    Sie blickte ihn an, doch er hatte sich schon wieder umgedreht und war zurück zu seinen Schwestern entschwunden.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Miss Carrington. »Das waren die Kinder von Lord und Lady Hampton. Ihr habt euch doch nicht mit ihnen gestritten, oder?«, erkundigte sie sich, während sie mit den beiden Mädchen zu den Zelten ging und einen besorgten Blick nach oben warf. Über ihnen hatte sich schon seit geraumer Zeit der Himmel zugezogen.
    »Nein, Amalia hat ihr sogar ihren Bonbon gegeben, aber der Junge hat ihn ihr zurückgegeben«, erklärte Cathleen.
    »Das war aber sehr nett von ihm«, sagte die Gouvernante.
    Amalia drehte sich zu Cathleen. »Ich will ihn aber nicht mehr. Du kannst ihn haben«, sagte sie großzügig zu ihr, als würde sie erraten, was in ihrer Schwester vorging.
    So war es immer mit Amalia, dachte Cathleen, während ihre Finger den Bonbon fest umschlossen. Niemand kannte sie so gut wie sie.
    Die ersten Regentropfen fielen, und Miss Carrington trieb sie zur Eile an. Sie flüchteten mit den anderen Menschen, die von allen Seiten herbeiströmten, unter die Zeltdächer. Kutschen fuhren vor, und Diener kamen mit großen Schirmen herbeigeeilt, um die Gäste trocken zu ihren Wagen zu geleiten. Das Fest hatte ein jähes Ende gefunden.
    Wenig später saßen sie in der Kutsche, die im Regen auf dem Rückweg nach Sherwood durch das Moor preschte. Amalia hatte sich an sie gekuschelt und war eingeschlafen. Cathleen musste noch immer an den Jungen denken. Er hieß Edward, hatte ihnen Miss Carrington erzählt. Die beiden Mädchen seien seine Schwestern Rebecca und Emily gewesen.
    Neben ihr bewegte sich Amalia im Schlaf, und Cathleen bemerkte plötzlich, dass die Hand ihrer Schwester heiß war – genauso wie ihre Wangen. Obwohl es durch den Regen draußen mit einem Schlag empfindlich kühl geworden war, glühten sie.
    Sie blickte zu ihren Eltern, die sich miteinander unterhielten, und wandte sich dann zu der Gouvernante. »Miss Carrington, Amalia ist ganz heiß …«
    »Bestimmt nur, weil ihr vorhin gerannt seid«, sagte die Gouvernante liebevoll tadelnd, zog aber ihren Handschuh aus, um Amalias Stirn zu fühlen.

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