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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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waren geschlossen.
    Zu dieser Jahreszeit seien nur wenig Gäste hier, berichtete Mrs Benson, die einen dampfenden Teller vor sie stellte. Es war der köstlichste Eintopf, den Melinda jemals gegessen hatte, und es gab sogar selbst gebackenes Brot dazu. Allein dafür hatte sich die Reise schon gelohnt!
    Mrs Benson, die ihr ein Glas Wasser einschenkte, lächelte, als sie sah, mit welchem Appetit sie aß. »Und Sie kommen aus London?«
    »Ja. Ich nehme dort an einer Fortbildung für Journalisten teil. Eigentlich stamme ich aber aus Berlin«, gestand sie ehrlich und trank einen Schluck.
    »Ach.« Mrs Bensons Lächeln wurde sichtlich zurückhaltender. Melinda bemerkte, dass Ned, der hinten auf dem Weg zur Küche war, bei ihren Worten unvermittelt stehen blieb und sie ansah. Es war kein freundlicher Blick, den er ihr schenkte. Einen Moment lang bereute Melinda, dass sie ihre Nationalität preisgegeben hatte.
    »Und was verschlägt Sie in unsere abgeschiedene Gegend?«, fragte Mrs Benson höflich.
    »Meine Mutter war Engländerin.« Melinda zögerte. »Sie hat mir als Kind oft Märchen und Geschichten erzählt, die hier in der Gegend spielen. Deshalb wollte ich unbedingt einmal hierher. Ich habe überlegt, etwas darüber zu schreiben«, fügte sie hinzu, da es ihr zu persönlich erschienen wäre, von dem Paket zu erzählen.
    »Stammte Ihre Mutter denn von hier?«, fragte Mrs Benson, die ihren leer gegessenen Teller an sich nahm.
    »Das weiß ich leider nicht genau. Sie ist mit meiner Großmutter schon als kleines Kind nach Deutschland gekommen, und beide sind verstorben.«
    »Das tut mir leid.«
    »Sagt Ihnen der Name Sherwood etwas?«, fragte Melinda, einer plötzlichen Eingebung folgend.
    Mrs Benson, die in die Küche gehen wollte, blieb überrascht stehen und nickte.
    »Sie sind tot, alle beide – schon lange«, ertönte unvermittelt eine krächzende, heisere Stimme hinter ihnen, die Melinda einen Schauer über den Rücken jagte. Sie fuhr herum.
    Der alte Mann im Lehnstuhl hatte sein Gesicht vom Fenster abgewandt und seine Augen geöffnet. Er starrte sie an.
    »Dad, was soll denn das? Du sollst doch unsere Gäste nicht so erschrecken«, sagte Mrs Benson tadelnd und brachte den Teller weg.
    Melinda war plötzlich hellwach. »Was meinen Sie damit – sie sind beide tot?«
    Doch der Alte hatte sich schon wieder zurück zum Fenster gewandt, als würde er draußen in der Dunkelheit jemanden sehen.
    »Das Moor hat sie verschlungen«, sagte er mit düsterer Stimme.
    »Lass doch diese furchtbaren Geschichten, Dad!« Mrs Benson, die zurückgekommen war, schüttelte missbilligend den Kopf. »Mein Schwiegervater … Beachten Sie ihn einfach nicht«, sagte sie etwas leiser zu Melinda. »Das mit den Sherwoods ist eine uralte Geschichte und gehört zu den vielen Legenden, die man sich hier gerne in der Gegend erzählt.«
    Melinda merkte, dass sich ihr Herzschlag beschleunigte. »Und worum geht es in dieser Legende?«
    Mrs Benson machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ach, Ende des letzten Jahrhunderts sind hier zwei Schwestern im Moor ums Leben gekommen. Erst die eine und dann die andere. Es war wohl eine echte Tragödie. Im Laufe der Jahrzehnte haben die Leute dann in ihrem Aberglauben immer mehr dazugedichtet. Es heißt, ihre Seelen würden in den dunklen Nächten noch immer durchs Moor geistern … Sie wissen ja, wie so etwas ist.«
    Melinda nickte stumm.
    Mrs Benson warf ihr einen prüfenden Blick zu, als spürte sie, dass sie etwas verbarg. »Nun, am besten zeige ich Ihnen jetzt mal Ihr Zimmer. Sie sind bestimmt müde!«
    25
     
    S ie schlief tief und fest. Ihr Zimmer lag im ersten Stock, und als sie am nächsten Morgen die Vorhänge aufzog, blickte sie direkt auf die weite Ebene des Dartmoors hinaus. Die Sonne schickte einige zögerliche Strahlen durch den grauen Schleier, der noch über der Landschaft lag. In der Ferne waren einige der ungewöhnlich anmutenden Felsformationen zu erkennen, die auch auf den Zeichnungen und Aquarellen abgebildet waren.
    Melinda dachte darüber nach, was Mrs Benson am Abend zuvor über die Sherwood-Schwestern erzählt hatte. Es passte zu dem Zeitungsartikel, den sie in dem Buch gefunden hatte, dachte sie.
    Sie spürte, wie sie die Unternehmungslust packte, als sie erneut nach draußen schaute, und begab sich nach unten zum Frühstück. Außer ihr gab es zurzeit nur drei weitere Gäste im Postbridge Inn. Ein älteres Ehepaar, das auf der Durchreise war, und ein Herr, der zu Studienzwecken hier zu

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