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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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Dieses Wissen hatte ihm in den zurückliegenden Jahren stets geholfen, seine eigene Unsicherheit zu bekämpfen, und es trug entscheidend dazu bei, den Leuten, die sich in der Gesellschaft weit über ihm wähnten, auf Augenhöhe zu begegnen. Im Grunde seines Herzens war er noch immer ein Spieler, musste John zugeben. Die Informationen besaßen für ihn den Wert eines kostbaren Jokers, der das Blatt im entscheidenden Moment zu seinen Gunsten wenden konnte. Er liebte das.
    Sein Blick glitt erneut mit einem zufriedenen Lächeln über die Papiere auf dem Schreibtisch, denn das, was hier vor ihm lag, war ohne Frage ein Joker der ganz besonderen Art! Er freute sich darauf, seiner Frau davon zu berichten.
    Nach dem Dinner – die Mädchen hatten sich bereits in ihre Zimmer zurückgezogen – kam Elisabeth zu ihm. Die Jahre waren an ihr nicht spurlos vorübergegangen. Ihr Haar hatte etwas von seinem weizengelben Blond verloren, die ersten grauen Strähnen zeigten sich darin, aber ihr Gesicht war noch immer fast faltenfrei. Sie wirkte angespannt, fiel ihm auf. Seit ihrer Rückkehr aus London war das so.
    »Geht es dir gut?«
    Sie nickte zerstreut und setzte sich zu ihm. »Ich habe über Cathleen und Amalia nachgedacht.«
    Er hatte ihr eigentlich gleich erzählen wollen, was er Interessantes in Erfahrung gebracht hatte, doch etwas an ihrer Haltung ließ ihn zögern. Abwartend blickte er sie an.
    »Ich frage mich manchmal, was aus Amalia werden soll«, erklärte sie.
    Er zuckte die Achseln. »Was soll schon aus ihr werden? Nicht viel, fürchte ich. Ich denke kaum, dass wir einen Ehemann für sie finden können.« Ihm ging auf, dass er über Amalias Zukunft noch nie nachgedacht hatte. »Ich meine, vielleicht gibt es auch für sie jemanden? Sie sieht immerhin sehr hübsch aus …«
    Seine Frau warf ihm einen scharfen Blick zu. »Sei nicht albern!«, fuhr sie ihn an. Sie rang nervös die Hände und schwieg einen Moment lang. »Manchmal denke ich, wir hätten sie doch beizeiten weggeben sollen«, sagte sie schließlich. »Irgendwohin, wo man sich richtig um sie kümmert. In ihrem eigenen Interesse.«
    Selbst er spürte, dass sie den letzten Satz nur geäußert hatte, damit das, was sie zuvor gesagt hatte, weniger hart klang. »Wie kommst du darauf? Sie hat uns noch nie Schwierigkeiten gemacht!«
    »Nein, das nicht.« Elisabeth presste die Lippen zusammen. »Aber Cathleen – sie hängt so an ihr! Und wie soll das werden? Wenn ihr jemand einen Antrag macht und erfährt, dass sie eine Schwester hat, die taub ist und nicht spricht … Kannst du dir vorstellen, was für ein Licht das auf sie wirft?«
    John hatte plötzlich das Gefühl, einen großen Schluck von seinem Wein nehmen zu müssen. Sein Blick heftete sich für einen kurzen Moment auf das Familienporträt, das neben seinem Schreibtisch hing und das Elisabeth und ihn mit den beiden Mädchen in der Zeit zeigte, als Amalia noch hören konnte. Wenn er seine Frau nicht besser gekannt und selbst miterlebt hätte, wie sie damals die Nächte durchgeweint hatte, als feststand, dass ihre Tochter taub bleiben würde, er hätte sie für kalt und herzlos gehalten.
    Er musterte sein Glas. »Hast du nie Schuldgefühle? Denkst du nie darüber nach, ob wir mehr für Amalia hätten tun können? Ob wir vielleicht noch andere Lehrer hätten holen sollen?«, brach es in einem Anflug von Ehrlichkeit aus ihm heraus, denn er selbst verspürte tatsächlich oft dieses Gefühl. Wenn Amalia vor ihm stand und von seinen Lippen zu lesen versuchte, fühlte er sich so hilflos, dass er am liebsten sofort das Weite gesucht hätte. Er wusste einfach nicht, wie er mit ihr umgehen sollte, und hoffte inständig, sie spüre dennoch, dass er sie liebte.
    Elisabeth schaute ihn überrascht an. » Andere Lehrer? Du meinst, damit sie vielleicht doch etwas mehr sprechen würde?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ehrlich gesagt, bin ich sogar sehr froh, dass sie so wenig spricht. Ich stelle es mir furchtbar vor, wenn die Worte so seltsam betont aus ihrem Mund kommen würden.«
    Er starrte sie an. Einen Moment lang herrschte eine seltsame Stille zwischen ihnen, und er überlegte, warum ihm etwas an der Art, wie seine Frau über Amalia sprach, nicht gefiel.
    »Ich denke, du machst dir zu viele Sorgen, was die Mädchen angeht. Amalia hat sich immer im Hintergrund gehalten. So wird es auch weiterhin sein, und wenn Cathleen erst einmal geheiratet hat, werden die Wege der beiden ohnehin auseinandergehen«, gab er zur

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