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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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Mutter noch gefunden hat«, sagte sie und schlug den Hefter auf, den sie in der Hand hielt. Sie reichte Melinda ein altes, ein wenig vergilbtes Foto. Es zeigte die gesamte Familie Finkenstein mit ihren Kindern – und einer jungen Frau mit hellen Haaren. Obwohl viele Jahre dazwischenliegen mussten, erkannte Melinda sie sofort von dem Bild wieder, das ihr ihre Mutter einmal gezeigt hatte. Es war ihre Großmutter! Ein kleiner Junge schmiegte sich auf der einen Seite an ihre Beine, während sie an der anderen Hand ein kleines Mädchen hielt – Melindas Mutter Caroline.
    »Sie war sehr schön, Ihre Großmutter. Ich erinnere mich, dass ich sie als Kind am Anfang oft für einen Engel gehalten habe – mit ihren langen blonden Haaren. Sie hatte so ein zauberhaftes Lächeln«, sagte die Bankdirektorin. Man spürte, dass ihre Gedanken in die Vergangenheit glitten.
    Melinda schaute sie an. Ihre Welt und die von Beatrice Finkenstein hätten nicht unterschiedlicher sein können, und die Bankdirektorin gehörte vom Alter her einer anderen Generation an – dennoch hatte es vom ersten Moment an eine ungewöhnliche Vertrautheit zwischen ihnen gegeben.
    »Wissen Sie, was ich mich die ganze Zeit frage?«, wandte sich Melinda an sie. Sie hatte nachdenklich das Gesicht verzogen. »Weshalb hat meine Mutter wohl so selten über meine Großmutter gesprochen? Sie war doch eine mehr als ungewöhnliche Frau, allein durch ihre Taubheit und auch, wenn sie schon so lange verstorben war, hätte meine Mutter sie doch zumindest gelegentlich erwähnen müssen, oder? Es wirkt beinahe so, als hätte sie sich nicht an sie erinnern wollen.«
    Beatrice Finkenstein schwieg. »Vielleicht war es auch ein wenig so. Ihre Mutter hat Ihre Großmutter ohne Frage sehr geliebt, aber es war nicht immer einfach für sie, eine taube Mutter zu haben.« Sie zögerte kurz, bevor sie schließlich weitersprach. »Ich glaube, Ihre Mutter hat sich manchmal aus der Welt ausgestoßen gefühlt, die Ihre Großmutter mit Jacob teilte – als würde sie dazu keinen Zutritt haben, weil sie selbst hören konnte.«
    Melindas Blick war bei ihren Worten unwillkürlich zurück zu dem Foto geglitten – zu dem kleinen Jungen, der sich an die Beine ihrer Großmutter schmiegte. Auf den ersten Blick wirkte es tatsächlich so, als wäre er ihr Sohn. Ihre Tochter dagegen stand mit etwas Abstand neben ihr, auch wenn sie ihre Hand hielt. Ein nachdenkliches Gefühl ergriff Melinda, und ihr wurde bewusst, dass sie nicht nur viel zu wenig über ihre Großmutter wusste, sondern auch über ihre Mutter.
    50
     
    D er Aston Martin gab ein unschönes Geräusch von sich. Henry Tennyson zog nervös an seiner Zigarette und nahm den Fuß vom Gaspedal. »Sind Sie sicher, dass Sie das hinbekommen?«
    »Kein Problem. Das ist nur ’ne kleine Sache mit dem Vergaser, Sir«, klang es dumpf unter der Motorhaube hervor. Wenige Augenblicke später tauchte ein Kopf dahinter hervor. »So, das müsste es sein«, sagte Ned, der Knecht aus dem Postbridge Inn.
    »Tatsächlich?« Henry Tennyson drückte erneut aufs Gas. Ein gleichmäßiges Geräusch war zu hören. »Alle Achtung!« Er pfiff durch die Zähne und stieg aus. »Woher haben Sie so viel Ahnung von Autos?«
    »Habe ich bei der Armee gelernt, Sir.« Ned wischte sich verlegen seine schmutzigen Hände an der Hose ab.
    Mit gönnerhafter Miene drückte Tennyson ihm einen Geldschein in die Hand. »Herzlichen Dank auch. Und, wie läuft es so im Postbridge Inn?«, fragte er, während er seine Zigarette mit dem Fuß austrat.
    Ned zuckte die Achseln. »Nicht viel los um diese Jahreszeit, Sir. Und die Gäste, die herkommen, auf die könnte man gut verzichten. Ein verschrobener Wissenschaftler – und eine Deutsche. Ausgerechnet!« Ein verächtlicher Ausdruck machte sich auf seinem kantigen Gesicht breit.
    »Hat sich übrigens nach dem alten Sherwood-Manor erkundigt.«
    Tennyson, der gerade Anstalten machte, wieder in seinen Wagen zu steigen, blieb überrascht stehen. »Nach Sherwood?«
    Der Knecht nickte. »Hab keine Ahnung, was sie hier zu suchen hat – mitten im Februar. Wenn Sie mich fragen, sie schnüffelt hier herum. Dachte, das sollten Sie vielleicht wissen, Sir.«
    »Ist sie noch hier?«
    Ned schüttelte den Kopf. Seine Nase lief, und er fuhr sich mit dem Handrücken darüber. »Nein, Sir. Sie ist wieder zurück nach London. Aber sie kommt nächstes Wochenende noch mal hierher. Mrs Benson hat eine Buchung auf ihren Namen, habe ich gesehen.«
    Tennyson bemühte

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