Die Schwesternschaft
Salz des Mahls«, erwiderte Iv. »AuÃerdem sind wir aus genau diesem Grund hier.«
»Schon gut, du hast ja recht. Aber wo ist Lena jetzt?«
»Auf Lambay Island«, erklärte Iv, »vierzig Meilen nördlich von Dublin. Sie ist mit einem gemieteten Segelboot dorthin. Zumindest lag das Boot vor zwei Stunden noch im Hafen.«
»Was machen wir jetzt?«, drängte Yana. Auch sie war offenbar verärgert darüber, erst jetzt derart wertvolle Informationen zu erhalten.
»Wenn sie noch dort sind, dann deshalb, weil sie nicht gefunden haben, wonach sie suchen«, schloss Iv mit ruhiger Stimme.
»Und wenn sie die Insel verlassen?«, fragte Florette ungeduldig.
»Wir sind bereit, sie zu verfolgen«, versicherte Iv.
»Hätte Olga Twardowski doch bloà ein Telefon benutzt, anstatt diesen Bühnenprospekt zu malen â¦Â«, sagte Yana bedauernd.
»Yana, nimm es nicht persönlich«, unterbrach sie Florette. »Die beiden anderen damaligen Besten waren tot und du selbst noch blutjung.«
»Schwestern, wir sind die letzten Töchter eines jahrtausendealten Wissens, das nie durch schriftliche Worte in Gefahr gebracht worden ist«, ermahnte Iv mit klarer, beinahe feierlicher Stimme. »Nur Erzählungen, Lieder und Gedächtnis. Seit über zweieinhalb Jahrtausenden nichts Geschriebenes, kein einziges Mal. Wenn Olga eine Ausnahme gemacht hat, so hatte sie dafür sicher gute Gründe. Die Welt stand in Flammen, die Zukunft lag im Dunkeln. Ich kann ihr das wirklich nicht zum Vorwurf machen.«
Florette nickte. »Ich bin ganz deiner Meinung, liebe Iv. Olga war die letzte noch lebende Beste ihrer Zeit, und da sie um ihr eigenes Leben fürchtete, beschloss sie, den Weg zum Buch der Blätter in diesen Bühnenprospekt einzufügen.«
»Eine Art Flaschenpost, die sie den stürmischen Wogen der Geschichte überlieë, resümierte Iv.
»Genau«, pflichtete Florette ihr bei. »Im Ãbrigen eine berechtigte Sorge. Sie kam schlieÃlich im Bombenhagel ums Leben. Und der Rest ist bekannt. In Kriegszeiten kommunizierte Olga mit den Schwestern der Stadt über die Ogham-Zeichen, die sie in ihre Bühnenbilder einarbeitete. Aber niemand hatte Gelegenheit, ihr letztes Bühnenbild zu sehen, denn das Theater wurde noch vor der Inszenierung des Stücks zerstört. So entstand die Legende.«
»Das eigentliche Problem ist, dass dieser Bühnenprospekt für immer verloren schien, obwohl er es gar nicht war«, überlegte Yana.
»Das eigentliche Problem ist, dass von euren beiden Mädchen die Falsche das Rennen gemacht hat«, bemerkte Florette lapidar.
Iv und Yana warfen Florette einen Blick zu und sahen sich dann an.
»Lena ist unter Kontrolle«, versicherte Iv, »und auÃerdem â¦Â«
Das klappernde Geräusch sich nähernder Schritte lieà sie schlagartig verstummen. Florette griff nach den Karten und begann mit zerstreuter Miene zu mischen.
Mary rieb sich die Hände, während sie näher trat: »In der Küche läuft alles gut, und ich habe noch genügend Zeit, um mich frisch zu machen. Teil aus, Florette«, rief sie entschlossen und setzte sich auf ihren Platz am Tisch.
Florette beugte sich unmerklich zu Iv hinüber und flüsterte mit kaum hörbarer Stimme: »Was wolltest du sagen?«
Iv sah zu Mary, um sicherzugehen, dass sie nicht zuhörte. Dann brachte sie ihren Mund an Florettes Ohr und antwortete flüsternd: »Ceridwen die WeiÃe hat endlich das nächste Korn gefunden.«
57
Lambay Island
Montag, 3. Januar, 13.01 Uhr
Der Himmel war von einer dicken dunkelgrauen Wolkenschicht verhangen. Das Schlauchboot schnellte über das Wasser, schlug auf den Wellen auf und lieà weiÃlichen Schaum aufspritzen. Nadja saà auf dem rechten Rand und umklammerte den Griff, um nicht über Bord geschleudert zu werden.
Sie hatten sich nicht lange in Dublin aufgehalten, nur die Zeit, die Kirill benötigte, um die von Moskau aus bestellten Waffen über jenes Kontaktnetz zu beschaffen, von dem Nadja lieber nichts wissen wollte. Leider waren es lediglich vier Pistolen, aber immerhin besser als nichts. Nachdem sie einen Wagen gemietet hatten, waren sie nach Rush, dem Küstenort genau gegenüber der Insel, gefahren und hatten dort im Rogerstown-Hafen ein Schlauchboot gemietet.
Während der gesamten Zeit hatte Kirill versucht, Nadja auf jede erdenkliche Weise
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