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Die Schwesternschaft

Die Schwesternschaft

Titel: Die Schwesternschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger R. Talbot
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Kollegen ohne sie zurecht? Sie dachte oft daran, aber das verstärkte lediglich ihre Verunsicherung. Der schwindelerregende Rhythmus der letzten Ereignisse hatte sie vollkommen aus dem Gleichgewicht gebracht. Erneut ging sie eines nach dem anderen durch, bis sie zu dem Punkt gelangte, den sie seit Tagen zu verdrängen versuchte: das Wissen um eine nie versiegte Zuneigung zu Kirill, dem Mann, der sie als kleines Mädchen an die Hand genommen hatte. In ihrem Inneren spürte sie ein Durcheinander an Gefühlen, das ihr beinahe den Verstand raubte. Vielleicht war das der Grund, weshalb sie sich so sehr diesem Rachegedanken hingab, der doch der Ethik eines Arztes gänzlich widersprach …
    Wie immer hielt sie sich, berufsbedingt, in einiger Entfernung von den Sichtfenstern der Falcon auf. Sie wusste, dass die Strahlungsdosis, der ein Reisender während eines Schnellfluges ausgesetzt war, etwa der von zehn Röntgenaufnahmen entsprach. Da sie tagtäglich im Krankenhaus arbeitete, war es daher besser, überflüssige Strahlung zu vermeiden.
    In dem kleinen, mit hellem Leder verkleideten Aufenthaltsraum besprach Kirill gemeinsam mit den drei Ukrainern den Aktionsplan. Auf dem Tisch hatte er eine Militärkarte von Lambay Island ausgebreitet. Es gab keine Einwände gegen seine Überlegungen: Lena musste dort sein. Die Koordinaten, über die sie verfügte, führten auf die Insel, und auch wenn sie nicht gefunden hatte, was sie suchte, so hatte sie doch nichts weiter in der Hand. Zwar hatte der Schabernack, den Yuri Glinka vor über sechzig Jahren mit Olga Twardowski getrieben hatte, eine ganze Kette unvorhergesehener Ereignisse ausgelöst, aber zumindest das letzte dieser Ereignisse war zu ihren Gunsten.
    Â»In wenigen Minuten werden wir auf dem Flughafen von Dublin landen. Alle legen jetzt bitte ihre Sicherheitsgurte an«, verkündete Alexej Remizov, Gavrils persönlicher Pilot.
    Nadja nahm den letzten Schluck Wodka und stellte das Glas ab. Sie beobachtete die dickflüssigen Tropfen, die am Glas hinabliefen. Sie erinnerten sie an die einzigen Tränen, die sie jemals bei ihrem Vater gesehen hatte, kurz bevor der Sarg geschlossen wurde.
    Â»Mama …«, flüsterte sie.
    Â»Hast du was gesagt?«, erkundigte sich Kirill und hob den Blick von der Karte, auf der einige Stellen rot markiert waren.
    Â»Nichts, Kirill.«
    Er stand auf und setzte sich neben sie. Sanft legte er seine Hand auf die ihre, die auf der Armlehne ruhte.
    Â»Es wird alles gut gehen«, flüsterte er ihr zu.
    Sie sah auf, und einen Moment lang schauten sie sich in die Augen.

56
    London, »Schauspielerinnen-Zirkel«
Montag, 3. Januar, 9.15 Uhr
    Im Westen Iv Lily. Im Osten Florette Binta Breeze. Im Süden Yana Svetliskaja. Und im Norden Mary Winterhorp, verwitwete Shelley, die Betreiberin des Zirkels. Sie spielten Bridge, ihre Gesichter waren konzentriert.
    Iv passte genau in dem Augenblick, als die Pendeluhr die halbe Stunde schlug.
    Mary eröffnete entschlossen: »Ein Pik.«
    Florette überlegte, dass es mit ihren zehn Punkten und der Tatsache, dass sie mit den Gedanken ganz woanders war, besser schien zu schweigen. Sie passte ebenfalls.
    Yana, mit ihrem offenbar starken und ausgeglichenen Blatt, versuchte, Informationen über die zweite Oberfarbe herauszubekommen: »Sans Atout.«
    Â»Ich passe«, murmelte Iv.
    Mary ermutigte ihre Partnerin: »Zwei Cœur.«
    Florette wog eilig ab. Mary hatte zweimal Oberfarbe auf der Hand, auf der gegnerischen Achse waren es mindestens siebenundzwanzig Punkte. Sie musste passen.
    Yana bot entschlossen ein Vollspiel, ohne sich darum zu kümmern, wer die Asse hatte. »Vier Pik.«
    Nachdem die drei anderen gepasst hatten, griff Iv mit dem Karo-Ass an. Florette streichelte mit dem Blick ihren Karo-König. Drei Karostiche waren ihnen sicher, solange die Farben ausgeglichen waren. Man brauchte nur den vierten zu bekommen, und ihr Treff-Ass war recht vielversprechend.
    Nach dem Angriff deckte Mary ihre Karten auf dem grünen Samt auf. Florette lächelte. Ein Treff-Single, der den vierten Stich garantierte, und schon war Yanas anmaßender Kontrakt geschlagen. Einen Augenblick lang begegnete sie Marys flammendem Blick. Ihre alte Freundin hasste es, beim Bridge zu verlieren, und die Unbesonnenheit ihrer Spielpartnerin brachte sie in Rage.
    Â»Eins drunter«, gab Yana am Ende des Spiels zu.
    Mary sprang auf: »Oh Gott, es ist

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