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Die Schwesternschaft

Die Schwesternschaft

Titel: Die Schwesternschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger R. Talbot
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entfernt. Das Gute war, dass sich dazwischen eine große Wiese befand, Kirill und seine Leute mussten also über das freie Feld laufen. Schlecht war dagegen, dass die Mauer, hinter der sie sich verbargen, sie nicht vor dem Regen schützte, der nun, vom Wind getrieben, von der Seite kam.
    Lena zückte die Pistole, Čerubina tat es ihr gleich. Vjačeslav hatte sein Sturmgewehr bereits die ganze Zeit fest in der Hand gehalten.
    Â»Wir sind bereit«, murmelte Čerubina.
    Lena hatte festgelegt, dass die beiden das Spiel in die Hand nehmen sollten. Zwar hatte sie, auf Drängen Gavrils, ein paar Monate auf dem Schießplatz geübt und war nunmehr eine recht passable Schützin, wenn es um Pappfiguren ging, aber ihr war vollkommen klar, dass das Schießen auf Menschen aus Fleisch und Blut etwas ganz anderes bedeutete.
    Ihre Blicke durchdrangen den dichten Regen. Ein Schatten bewegte sich langsam, glitt in etwa hundert Metern Entfernung durch den Schlamm.
    Der Erste, der ihn entdeckte, war Vjačeslav. Er zeigte ihn den anderen. Čerubina zückte die Pistole und behielt ihn im Visier, gab dem Gefährten aber gleichzeitig zu verstehen, dass sie nicht die Absicht hatte zu schießen, solange die anderen nicht in Schussweite waren.
    Eine zweite schemenhafte Gestalt kam auf die Mauer zu, aber im Gegensatz zu der ersten war sie sehr schnell.
    Nun bewegte sie sich auf eine kleine Schonung zu. Wenn sie sie erreichen würde, hätte sie einen geschützten Standort, von dem aus sie das Feuer erwidern konnte.
    Vjačeslav zielte in die Richtung, aber Čerubina gebot ihm durch eine Geste Einhalt.
    Â»Warte noch«, flüsterte sie.
    Â»Wenn er die Bäume erreicht hat, erwischen wir ihn nicht mehr!«, protestierte er.
    Die Dinge verliefen nicht nach Plan, dachte Lena. Sie hatte gehofft, mit einer Salve alle aus dem Weg zu räumen und sich dann um Nadja kümmern zu können, die sicherlich in Deckung geblieben war. Warum nutzten die beiden nicht die Gelegenheit, um die Gegner kaltzumachen?
    Â»Wann schießen wir?«, wisperte sie.
    Â»Jetzt!«, erwiderte Čerubina. Sie nahm die erste Gestalt ins Visier, Vjačeslav zielte auf die zweite.
    Jeder zwei Schuss, kurz hintereinander, Parnok und Sergej waren getroffen.
    Lena hatte nicht einmal die Zeit gehabt, den Abzug zu drücken.

61
    Lambay Island
Montag, 3. Januar, 13.28 Uhr
    Zwanzig Meter hinter Parnok und Sergej erwiderten Kirill und Taras wie im Reflex das Feuer, zielten in Richtung der Schüsse. Dann warfen sie sich zu Boden, rollten im Gras zur Seite, einer nach rechts, der andere nach links, in der Hoffnung, sich aus der Schusslinie zu bringen.
    Kirill hatte Glück. Er landete in einer Mulde in der Wiese. Einige Schüsse schlugen ein paar Meter vor ihm in die Erde ein, und er begriff, dass es wenig ratsam war, zurückzuschießen. In dem strömenden Regen hatten sie ihn aus dem Blick verloren, und es war besser, seine neue Stellung nicht preiszugeben. Deshalb drückte er sich ins feuchte Gras, blieb auf der Hut.
    Hinter der Mauer hörte man Klagerufe. Vielleicht hatten seine und Taras’ rasche Reaktion zum Ziel geführt. Er spitzte die Ohren und hatte den Eindruck, dass es ein Mann war. Hoffentlich hatte es Vjačeslav erwischt: Nach Omarovs Akten zu urteilen, war er der Gefährlichste der Gruppe.
    Doch Parnok und Sergej waren in den Hinterhalt geraten und gefallen. Was ihn am meisten ärgerte, war die Naivität, mit der sie in die Falle getappt waren, als wären sie vier Grünschnäbel, die zum ersten Mal zur Waffe griffen. In Wahrheit hatten sie jedoch einfach nicht damit gerechnet. Sie hatten vorgehabt, Lena und ihren Leuten einen Überraschungsangriff zu bereiten, stattdessen war die Situation genau umgekehrt. Irgendjemand musste sie verraten haben, so viel stand fest. Jemand aus der Villa Derzhavin. Doch jetzt war keine Zeit darüber nachzudenken, denn sie waren dem Feind wie die Opferlämmer ins Netz gegangen. Und das konnte sich Kirill einfach nicht verzeihen.
    Die Situation war so, wie man sie in Kriegshandbüchern als kritisch bezeichnen würde. Er war allein, hatte keinen Kontakt zu Taras, die Witterungsverhältnisse waren ungünstig und die Gegner besser bewaffnet und geschützt. Er hatte eindeutig die Schüsse eines Maschinengewehrs gehört. Nun blieb ihm nichts, als auf den nächsten Schlag des Feindes zu warten. Es gab auch noch eine weitere

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