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Die Schwesternschaft

Die Schwesternschaft

Titel: Die Schwesternschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger R. Talbot
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begann sie. »Ihr habt sicher von dem unerwarteten Tod Catherine Derzhavins gehört …« Sie ließ den Satz absichtlich in der Schwebe.
    Â»Ein furchtbares Unglück«, seufzte Florette. »Sie war eine deiner vielversprechendsten Schülerinnen, stimmt’s?«
    Â»Ja, furchtbar. Aber es war kein Unglück, meine Liebe, sondern Mord«, erklärte Iv.
    Florette und Yana tauschten erstaunte Blicke.
    Â»Auch wenn es in den Medien als Unfall bei den Dreharbeiten dargestellt wurde«, fuhr Iv fort. Dann schlug sie einen anderen Ton an und wandte sich direkt an Yana: »War Lena Leskov, die Geliebte von Gavril Derzhavin, eine deiner Schülerinnen?«
    Â»Wie kommst du darauf?«
    Â»Der Milliardär Derzhavin?«, mischte sich Florette ein.
    Iv seufzte: »Ja, genau der Derzhavin. Ihr wisst, dass wir drei geografisch voneinander unabhängige Zellen sind, und ihr wisst auch, dass Catherine eine der meinen war: Das war zu offenkundig, um es nicht zu bemerken. Doch bezüglich Lena hätte ich gerne eine Bestätigung von Yana.«
    Â»Ich kann es dir bestätigen. Aber wie bist du darauf gekommen?«
    Â»Lena Leskov war bei Catherines Trauerfeier anwesend … so wie ich natürlich auch. Ich habe das Zeichen gegeben. Und sie hat es erwidert.«
    Â»Ja, natürlich, sie war eine ausgezeichnete Schülerin«, begann Yana erneut, wobei sie ihre Worte genau abwog. »Ein sehr ehrgeiziges Mädchen … mit einer wirklich außergewöhnlichen natürlichen Ausstrahlung. Und sehr entschlossen beim Verfolgen ihrer Ziele. In diesem Fall muss ich …«
    Florette unterbrach sie spontan: »Eine Schwester heiratet einen Milliardär, und eine andere Schwester wird seine Geliebte? Warum hast du ihr nicht Einhalt geboten, Yana? Wir wissen alle, dass es bei zwei Schwestern und ein und demselben Mann immer Schwierigkeiten gibt. Man braucht nur an Jacqueline und Marilyn zu denken.«
    Yana umklammerte das Opernglas. »Ich sehe nicht, was Lena mit dem Tod von Catherine zu tun haben soll.«
    Iv und Florette sahen sie an.
    Yana steckte das Opernglas mit graziler Geste in das Futteral und ergriff erneut das Wort: »Entschlossen zu sein bedeutet nicht, so weit zu gehen, eine Liebesrivalin umzubringen: Unsere Tradition verbietet das ausdrücklich, das wisst ihr. Im Übrigen ist Derzhavin nicht gerade der große Menschenfreund. Vielleicht hat sich einer seiner zahlreichen Feinde rächen wollen, indem er seine Ehefrau …«
    Iv ließ sie nicht ausreden. »Leider haben Gavril Derzhavins Geschäfte nichts mit dem Mord an seiner Frau zu tun. Aber in einem Punkt hast du recht. Lena Leskov hat den Mord nicht aus Rivalität begangen.«
    Florette spürte die wachsende Spannung zwischen den beiden und griff erneut ein: »Welchen Grund soll sie sonst gehabt haben?«
    Â»Diesen«, erwiderte Iv und hielt das mit Einlegearbeiten verzierte Medaillon, das sie stets trug, in die Höhe, um es den beiden anderen zu zeigen.
    Einen Augenblick lang herrschte Stille. Yana erhob sich, nahm ihren Kaschmirschal vom Haken und legte ihn um die Schultern, als sei plötzlich ein eisiger Windstoß durch das Theater geweht. Dann setzte sie sich wieder, mit einer Anmut, die all jenen eigen ist, die ihr Leben auf der Bühne verbracht haben. Sie versuchte, gute Miene zum bösen Spiel zu machen: »Iv, Florette, am liebsten würde ich meine Schülerin in Schutz nehmen … vielleicht weil ich alt werde und immer daran gedacht habe, Lena zu meiner Nachfolgerin zu machen … allerdings habe ich schon seit mindestens zwei Monaten nichts mehr von ihr gehört … Bitte, Iv, erzähl uns alles.«
    Iv berichtete über den Stand der Dinge: »Einige Tage bevor Catherine ermordet wurde, rief sie mich an, um mir etwas zu berichten, von dem sie sehr beeindruckt war: Ihr Mann hatte sie in eine Art Wunderkammer am Schwarzen Meer in der Nähe von Sotschi mitgenommen. Ein Privatmuseum mit Theaterausstattungen von historischem Wert, von der italienischen Renaissance bis in unsere heutige Zeit. Bühnenprospekte, wohlgemerkt.«
    Â»Ich hätte nicht gedacht, dass Derzhavin Sinn für Kunst hat«, bemerkte Yana.
    Â»Er hat diese Sammlung vor Kurzem im Zuge eines anderen Geschäfts erstanden. Aber das braucht uns nicht zu interessieren. Was Catherine so beeindruckte, war einer der Bühnenprospekte, die ihr Mann ihr zeigte. Es ist der Prospekt

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