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Die Schwesternschaft

Die Schwesternschaft

Titel: Die Schwesternschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger R. Talbot
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erwachen und sah ihn irritiert an. »Einige Einkommensarten fallen jedoch ausdrücklich nicht unter die Kategorie der zu versteuernden Einkünfte!«, begann er wieder und nahm die vorherige Grafik zur Hand.
    Â»Der Punkt ist, dass ich mir bereits einen Eindruck verschafft habe. Dafür danke ich Ihnen«, erklärte Fëdor trocken und beendete das Gespräch. Er erhob sich mit schroffer Geste und ließ dabei einige Unterlagen aus einer Aktenmappe mit der Aufschrift Operation kalter Schlamm zu Boden gleiten.
    Â»Inspektor Omarov …«, versuchte der Beamte ihn zurückzuhalten, aber Fëdor hatte bereits alles, was er für den nächsten Schritt benötigte. »Inspektor Omarov, Sie wollen doch nicht, dass ich Sie melde, oder? Ich bin hergekommen, weil man mir Ihre uneingeschränkte Unterstützung zugesichert hat.«
    Fëdor sah ihn nur an. Glebov klopfte nervös mit dem Kugelschreiber auf ein Blatt und erzeugte einen Kreis schwarzer Punkte.
    Â»Sie wissen, dass wir auch von Ihnen eine Akte haben?«, sagte Glebov herausfordernd und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
    Â»Das glaube ich gern. Es gibt hier über jeden von uns eine Akte«, erwiderte Inspektor Omarov lakonisch.
    Â»Schon, aber einige sind besonders dick.«
    Fëdor zog sich in aller Ruhe die dunkelblaue Jacke über, zupfte den Kragen seines blauen Diensthemdes zurecht, blieb reglos stehen und wartete darauf, dass der Beamte zum Ende kommen möge.
    Â»Sie sind verpflichtet, sich alles anzuhören, was ich Ihnen zu sagen habe, mir Unterstützung zu gewähren, wenn ich Sie darum bitte, und dieses grimmige Gesicht abzulegen, das in der Moskauer Unterwelt sicherlich recht wirkungsvoll ist. Aber hier bei mir … ich bitte Sie.«
    Fëdor merkte, dass sein Hals steif wurde. Er versuchte, die Verspannung abzubauen, indem er den Kopf nach rechts und links drehte. Sein Blick fiel in den Spiegel, und er sah sein erschöpftes Gesicht. Wegen der jüngsten Ermittlungen hatte er seit mindestens drei Tagen kein Auge mehr geschlossen. Und nun trieb diese Memme auch noch ihr Spielchen mit ihm und wagte es obendrein, ihn zu bedrohen. Wollte der Kerl ihm den Krieg erklären? Das konnte er haben. Aber er selbst würde ihn nicht austragen. Er selbst vollstreckte nur. Das war der einzige Grund, weshalb er gezwungen war, in diesem Zimmer zu bleiben und sich von irgendeinem Dahergelaufenen beschimpfen zu lassen. Natürlich war er kein Heiliger, aber er machte seine Arbeit verdammt gut. Er stellte die Ermittlungen ein, wann immer sie eingestellt werden mussten, und zwar ausschließlich zum Wohl seines Landes. Wenn er in Moskau zufällig einem Handel mit Nervengift auf die Spur gekommen und ein Einstellungsersuchen auf seinem Schreibtisch gelandet wäre, hätte er keinen Augenblick gezögert, seine Unterschrift zu leisten, Unterlagen und Fotos zu nehmen und alles zu den Akten zu legen. Die Sache wäre im Archiv gelandet, und er hätte sie vergessen. Denn Fëdor war ein staatstreuer Polizist, und wenn sein Land ein derartiges Verhalten von ihm verlangte, gab es für ihn keine Diskussion. Welchen Sinn sollte es ergeben, Panik zu schüren und Informationen über Terroristen durchsickern zu lassen, die Anschläge in großem Stil, mit möglicherweise Tausenden von Opfern planten?
    Die Antwort lautete schlicht: Es ergab keinen Sinn.
    Seine Ermittlungsakte wäre ins Archiv gekommen, jemand vom Ministerium für Staatssicherheit hätte sie verschwinden lassen, und alles wäre in die kompetenten Hände des Geheimdienstes MUR gelangt, der das Problem wie immer auf wirksame und endgültige Weise gelöst hätte. In den Zeitungen hätte gestanden, dass man in einem Lager ein paar Tschetschenen mit zweifelhafter Vergangenheit und den Taschen voller Drogen − oder je nachdem, was gerade aktuell war, auch mit Dollars, Euros oder pädophilen Fotografien − aufgegriffen habe …
    Russland war ganz anders als der Rest der Welt, und die russische Polizei musste mit dieser Andersartigkeit Schritt halten. Was für Fëdor zählte, war seine Loyalität gegenüber dem Gesamtsystem. Andere würden das vielleicht anders sehen, aber er hatte auf diese Weise schon viele Menschenleben gerettet.
    Doch dieser pingelige Kerl, der mit aufgerissenen Augen vor ihm saß, hatte nichts von jener Grundhaltung, die aus einem Polizisten einen guten Polizisten

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