Die Schwesternschaft
Catherines Beerdigung, habe ich lange mit ihrer Tochter Nadja gesprochen. Sie hat mir einige Details erzählt, die nur der Familie bekannt sind.«
»Welche?«, drängte Florette.
»Aus den Aufnahmen der Videoüberwachungskameras in dem Filmstudio, in dem Catherine ums Leben gekommen ist, geht hervor, dass einer der beiden Saboteure der Szenenvorrichtung eine Frau war«, erklärte Iv. »AuÃerdem ist herausgekommen, dass eine Frau mit absolut derselben Statur das Kommando anführte, das den Bühnenprospekt in Sotschi entwendete. Das scheint mir offen gestanden ein mehr als eindeutiges Indiz zu sein.«
In diesem Augenblick kündeten die Lichter des Saals den Beginn des zweiten Aktes an.
»Ich bin tief betrübt über Catherines Tod, liebe Iv«, sagte Yana. »Und ich kann einfach nicht glauben, dass Lena darin verwickelt ist. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass sie so geschickt darin ist, mich hinters Licht zu führen. Wie dem auch sei, wir werden es bald herausfinden, ich glaube nicht, dass das Mahl ernsthaft in Gefahr ist. Es ist eine lose Struktur, die Schwestern kennen sich nicht, auch wenn sie sich gegenseitig zu erkennen geben können. Was den Ort betrifft, so war er, bis seine Lage verloren ging, nur den Besten bekannt. Zwar haben wir jetzt entdeckt, dass Olgas Prospekt tatsächlich existiert ⦠aber ist überhaupt sicher, dass Lena ihn zu deuten vermag?«
Der Vorhang würde sich jeden Moment öffnen, im Saal herrschte erneut Stille.
Iv begann zu flüstern: »Catherine und Lena haben nicht den echten Prospekt gesehen, sondern nur eine Filmprojektion. Die Bildschirmauflösung war aber gut genug, um einige Ogham-Zeichen erkennbar zu machen. So wusste sie, worum es sich handelt. Auf dem Foto für den Antiquitätenhändler lassen sich die Zeichen nicht erkennen, aber nach dem, was Catherine erzählt hat, gibt es für mich keinen Zweifel: Dieser Bühnenprospekt bezeichnet, leider, den Ort .«
Zarter Flötenklang stieg aus dem Orchestergraben auf, während in der Dunkelheit nur das Rascheln des sich öffnenden Vorhangs zu hören war.
»Was machen wir jetzt?«, wisperte Florette.
»Nichts«, erwiderte Iv. »Wir müssen die Dinge nur im Auge behalten. Allerdings aus unmittelbarer Nähe. Und sehr aufmerksam. Aktiviert so rasch wie möglich eure Netzwerke. Ich habe das bereits getan. Und lasst uns in Kontakt bleiben.«
Dann, im selben Augenblick, in dem der erste Sonnenstrahl der Morgendämmerung, die über dem verzauberten See lag, die noch schlummernde Odette weckte, schlüpfte sie ohne ein weiteres Wort hinaus.
24
Moskau, Polizeizentrale
Dienstag, 28. Dezember, 12.46 Uhr
Der Beamte der FONP , der Steuerfahndungsbehörde, ging ihm auf die Nerven. Seit über einer halben Stunde quatschte dieses Kerlchen von irgendwelchen Zahlen, Diagrammen und unverständlichen mathematischen Berechnungen, ohne etwas auf den Punkt zu bringen. Doch bis jetzt hatte Fëdor Omarov ihm bloà zugehört und an den vermeintlich interessantesten Stellen genickt.
»Am Ende der Steuerberechnung müssen die gesetzlich vorgesehenen Abschreibungen und Freibeträge von dem zugrunde gelegten steuerpflichtigen Betrag sowie der Bruttosteuer abgezogen werden. Das Schöne ist, dass das Gesetz hier sehr eindeutig ist und dem steuerpflichtigen Bürger die Möglichkeit lässt, die oben genannten Beträge von dem zugrunde gelegten Betrag zu subtrahieren. Der Kommentar zu dieser Grafik ist also eindeutig: Die Steuererleichterung kommt nur denjenigen Einkommensarten zugute, deren Steuersatz genau dreizehn Prozent entspricht. AuÃerdem gibt es noch â¦Â«
Fëdor unterbrach ihn: »Sie wollen mir also sagen, Glebov, dass absolut nichts vorliegt.«
»Sie haben mich noch nicht bis zum Kern der Sache kommen lassen«, erläuterte der Beamte und nahm ein weiteres Blatt zur Hand. »Was unseren Mann betrifft, sind die Dividenden, die er durch seine Gesellschaften im Ausland bezieht, einem steuerlichen Gesamtabzug von sechs Prozent unterworfen. Da es sich um Investitionsgewinne handelt, sind hierfür weder Abschreibungen noch Freibeträge vorgesehen. Das gilt in der Regel auch für alle Zinserträge. Allerdings ist ein Steuerabzug von fünfunddreiÃig Prozent auf â¦Â«
»Genug. Verschonen Sie mich!«, unterbrach ihn Fëdor erneut.
Der Beamte schien aus seinem Zahlenrausch zu
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