Die Schwesternschaft
Madames Reise nur ausgedacht. SchlieÃlich hatte ihr Iv diesbezüglich nichts gesagt.
Victoria spürte einen unangenehmen Knoten im Hals.
Während sie die Treppen hinabliefen, drehte sich Raye plötzlich um, ergriff ihre Hände und setzte erneut ihr strahlendes Lächeln auf. »Ich glaube, wir beide werden gute Freundinnen sein! Zwei kleine Hexen unterwegs in London! Auf gehtâs!«
Victoria lächelte schwach zurück und erwiderte nur: »Ja, wirklich schön, zwei kleine Hexen â¦Â«
Die Hände dieser Frau waren unglaublich warm, aber sie empfand die lange Berührung nicht als unangenehm. Im Gegenteil, sie gab ihr ein merkwürdiges Gefühl der Sicherheit. Wenn Victoria an Pranotherapie geglaubt hätte, hätte sie darauf geschworen, dass es die Hände einer Heilerin waren.
»Spart am Werk nicht Fleià noch Mühe, Feuer sprühe, Kessel glühe!« Nach diesen Worten brach Raye in Gelächter aus, lieà Victorias Hände los und nahm die letzten vier Stufen mit einem Satz.
Victoria betrachtete einen Augenblick lang ihre Handflächen. Sie hatte das Gefühl, einige gerötete Stellen zu erkennen, die aussahen wie Baumblätter. Diese Verrückte fing allmählich an, mit ihrem merkwürdigen Verhalten auf sie abzufärben.
»Feuer sprühe, Kessel glühe«, murmelte sie leise. »Das ist doch Macbeth. «
»Los, kleine Hexe â¦Â«, hörte sie es von der StraÃe rufen.
Victoria richtete den Kragen ihrer Daunenjacke auf und stellte sich auf die Kälte der Londoner StraÃen in Gesellschaft einer durchgedrehten Wicca ein.
26
Moskau, Polizeizentrale
Dienstag, 28. Dezember, 13.22 Uhr
Die Kammer war kahl.
Oxana Glebov war nackt an einen Holzstuhl gefesselt. Vor ihm auf einem alten Metalltisch lagen einige Utensilien: Zangen in verschiedenen GröÃen, eine Holzsäge, ein Hammer, eine veterinärmedizinische Spritze und einige unbeschriftete Fläschchen, die mit Flüssigkeiten in wenig vertrauenerweckenden Farben gefüllt waren. Eine offenbar viel benutzte Machete mit einer an mehreren Stellen angeschlagenen Klinge stach besonders ins Auge. Auf dem unteren Brett standen zwei hintereinandergeschaltete Autobatterien, die mit Doppelklemmen an rote und schwarze Kabel angeschlossen waren. Daneben eine Kreissäge, ein SchweiÃgerät und eine Druckluftschleifmaschine.
» Alles, was man als guter Heimwerker so braucht«, hatte Fëdor kommentiert, bevor er sie allein lieÃ.
Offiziell existierte dieser Kellerraum unter der Polizeizentrale nicht. Wäre jemand auf die Idee gekommen, den ursprünglichen Entwurf zu überprüfen, hätte er an dessen Stelle lediglich die Vorrichtungen für die Abwasserentsorgung gefunden.
In einem einzigen Detail stimmte die Wirklichkeit mit der maÃstabsgetreuen Grundrisszeichnung überein. Der Abwasserkanal lief genau darunter entlang und mündete in die Kanalisation. Durch den zur Mitte hin leicht abschüssigen Boden wurden alle Flüssigkeiten in einem runden Schacht aufgefangen, der mit einem Gitter verschlossen war und aus dem ein übler Gestank emporstieg. Um dieser Unannehmlichkeit entgegenzuwirken, hatte der Planer die Räumlichkeit mit einem komplexen Belüftungsnetz versehen, das die Luft an drei verschiedenen Punkten umlenkte und so die Gerüche und die im Inneren entstehenden Geräusche abschwächte.
In diesen zehn Quadratmetern zu landen bedeutete nur eins: in eine Welt des Grauens einzutauchen und zu verschwinden. Zur Beseitigung der unglückseligen Gäste stand links eine Häckselmaschine bereit, die von rund einem Dutzend blauer Plastikeimer umgeben war. Sobald die Informationen eingeholt waren, brauchte man den Körper nur noch zu zerlegen, in die Maschine zu füllen und den Brei in den Eimern aufzufangen. Die Kanalisation würde jegliche Spuren der Leiche verwischen. Es gab weder Telefone noch Mikrofone. Alles, was in der Kammer geschah, blieb in der Kammer. Die einzigen erlaubten Erinnerungshilfen waren das Gedächtnis und die Albträume.
Hinter einem gewöhnlichen Duschvorhang saÃ, in einen dicken Parka gehüllt, ein Mann. Während er auf das Verhör wartete, rauchte er eine Zigarette und stieà ungleichmäÃige Rauchwolken aus.
Glebov hatte sich eingenässt, der Urin lief in Richtung Schacht.
Kirill schien die beiÃende Kälte nicht zu spüren. Hier unten hielt sich die Temperatur
Weitere Kostenlose Bücher