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Die schwimmende Stadt

Die schwimmende Stadt

Titel: Die schwimmende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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anders, wenngleich er nicht zu sagen vermochte, woher er diese Kenntnis bezog. Irgendwo, tief in seinem Innern, lag die Ahnung heraufziehender Gefahr verborgen.
    Was war nur los mit ihm? Er glaubte, in einen endlosen Abgrund zu stürzen, angezogen von magischen Kräften, denen er nicht widerstehen konnte.
    Komm…
    Gerade als Mythor gehen wollte – wohin, das wußte er nicht –, griff aus dem Nichts heraus eine Hand nach ihm. Die Berührung ließ ihn schaudern.
    Vor ihm gähnte tatsächlich ein steiler Felssturz. Mehr als fünfzehn Schritte tiefer war der Boden schroff und zerklüftet. Nur wenige Pflanzen fristeten dort ein karges Dasein. Armdicke Ranken krochen langsam über das Schwammgewebe.
    Scida hielt ihn am Arm und zog ihn zurück.
    »Was ist mit dir?« fragte sie.
    »Nichts«, wehrte Mythor schnell ab, obwohl ihm war, als könne er in der Tiefe etwas ungeheuer Bedeutsames finden. Aber das Gefühl schwand, bevor er es näher zu deuten vermochte. Was blieb, war eine quälende Leere in seinen Gedanken.
    Scida schien nichts Außergewöhnliches zu empfinden.
    Sollte er also den Versuch wagen und hinabsteigen? Mythor entschied sich dagegen.
    Das Wispern der Gläsernen Bäume folgte ihnen auf ihrem weiteren Weg.
    Es war die Zeit der Mitternacht, als Scida und der Sohn des Kometen wieder bei den Höhlen anlangten. Der Mond hatte den höchsten Punkt seiner Wanderung inzwischen überschritten. Erste Wolken zogen von Osten herauf und schoben sich vor die Sterne, deren Schein bisher dafür sorgte, daß es nicht völlig dunkel wurde.
    »Du hast dich gegen Galees Kriegerinnen besser bewährt, als ich erhoffte«, sagte Scida. »Ich denke, daß ich es wagen kann, dich mit der Aufgabe zu betrauen.«
    »Was hast du bis jetzt herausgefunden?«
    »So gut wie nichts, was dir helfen könnte. Deshalb werde ich einen meiner Ködersklaven ausschicken und hoffen, daß er den Weg der anderen geht. Nur auf diese Weise kannst du das Geheimnis vielleicht ergründen.
    Galee gibt morgen ein Fest in ihrem Palast – wie immer, wenn Gondaha das Gebiet einer Zaubermutter verläßt und in ein anderes einfährt. Selbst mich hat sie durch einen Boten geladen. Ich werde dort sein und mit mir die Mehrzahl von Galees Kriegerinnen. Du hast also leichtes Spiel, sollte es sich erweisen, daß sie tatsächlich hinter allem steckt.«
    »Mir ist nicht ganz wohl bei der Sache«, gestand Mythor.
    »Warum?«
    »Wenn der Mann in Gefahr gerät, muß ich ihm helfen. Spätestens dann ist dein unbekannter Gegner gewarnt.«
    »Du wirst dich selbstverständlich zurückziehen, sobald du herausgefunden hast, was ich wissen will«, sagte Scida. »Ich habe etliche meiner Sklaven als Köder geopfert, um den Rätsel Gondahas auf die Spur zu kommen. Da keiner von ihnen zurückkehrte, werde ich wohl auch diesen verlieren. Es macht mir nichts aus.«

5.
    Gondaha war in schwüle, dampfende Wärme gehüllt.
    Das Land schien im Wasser zu versinken, denn der Himmel hatte sich aufgetan, und es goß in wahren Sturzbächen herab. Der Stand der Sonne war hinter den tiefhängenden Wolkenbänken nur zu ahnen. Ein trübes, schwefliges Licht herrschte, in dem die Sicht manchmal kaum weiter als zehn Schritte reichte.
    Das monotone Plätschern wirkte ermüdend. Zweifellos war eine weitere Wetterverschlechterung zu erwarten.
    Scida gab sich gereizt und unzugänglich.
    Als ein Mann der Amazone Wein brachte, wie befohlen, fuhr sie schon nach dem ersten Schluck auf.
    »Verdammt«, brüllte sie ihn an. »Du wagst es, mir dieses vergorene Wasser einzuschenken.«
    »Aber…«, begann er zaghaft, doch ließ sie ihn nicht zu Wort kommen.
    »Nimm den Krug und schaffe mir einen anderen herbei.«
    Verzweiflung stahl sich in die Züge des Sklaven.
    »Wir haben nur ein Faß, aus dem wir schöpfen können.«
    »Dann muß ein Tölpel seinen Inhalt verdorben haben. Befahl ich dir nicht, zu kosten, ehe du mir vorsetzt?«
    »Das war dein Verlangen.« Der Mann nickte zerknirscht.
    »Und?« fragte Scida wütend.
    »Der Wein war gut.«
    »Er ist es nicht«, schrie sie lauthals. »Hier, schmecke selbst.«
    Jäh sprang die Amazone auf, riß den Krug an sich und schüttete dessen Inhalt dem Mann ins Gesicht.
    Er zitterte vor Angst.
    »Geh mir aus den Augen«, keifte Scida. »Und wage es nicht, dich je wieder in meiner Nähe blicken zu lassen.«
    »Verzeih meine Dreistigkeit, doch…«
    »Ich sagte: Geh!« Sie holte aus und schleuderte den Krug, dem der Sklave mit einer unbewußten Drehung auswich. Das Gefäß

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