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Die Schwingen des Todes

Die Schwingen des Todes

Titel: Die Schwingen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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schwieg einen Moment. »Hör zu, mir tut diese Frau wirklich Leid. Das meine ich ehrlich, Jonathan. Aber das Ganze macht mich trotzdem rasend.« Er lehnte den Kopf zurück und starrte nach oben. »Ich bin hier am falschen Platz. Sie haben Recht. Es war ein Fehler, hierher zu kommen.«
    »Es tut mir so Leid!«
    Decker hörte den Schmerz in der Stimme seines Bruders.
    »Mein Gott, und ich lasse das Ganze auch noch an dir aus.«
    »Es ist dein gutes Recht, wütend zu sein.«
    Decker lächelte. »Die Worte eines wahren Hirten.« Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Also, das Positive daran ist, dass wir j etzt noch genügend Zeit haben, um der Quinton Police einen Besuch abzustatten.«
    Die Polizeireviere der Vorstädte besaßen gegenüber ihren innerstädtischen Pendants einen entscheidenden Vorteil: eine große Anzahl an Grundsteuerzahlern. Es sprach einiges dafür, dass die reiche angloamerikanische Bevölkerung im nördlichen Teil die ärmere jüdische im Süden subventionierte, weil ihre Häuser größer und ihre Grundstücke teurer waren. Aber für die entgegengesetzte These sprach ebenso viel: Die jüdische Bevölkerung trug mehr als nur ihr erforderliches Scherflein bei, denn auf jeden protestantischen Villenbesitzer kamen drei jüdische Hauseigentümer. Was den Juden an Qualität fehlte, machten sie durch Quantität wieder wett.
    Die Hauptwache der Quinton Police befand sich im Liberty Park, während weitere, mit jeweils zwei Beamten besetzte, kleinere Polizeistationen über die verschiedenen Einkaufs- und Gewerbegebiete verteilt waren. Das Polizeirevier war relativ neu: ein rechtwinkliger Bau aus Stahl und verspiegeltem Glas, der im Inneren hell und luftig wirkte. Der Bereitschaftsraum der Mordkommission war geräumig und etwa so groß wie der von Deckers Truppe in Los Angeles. Der Unterschied bestand nur darin, dass sich in L. A. dreiundvierzig Detectives der Devonshire Division den Raum teilen mussten, während in Quinton zwölf voll ausgestattete Schreibplätze über die gesamte Fläche verteilt waren - alle mit eigenem Telefon, Anrufbeantworter und Computer.
    Das Mord- und Raubdezernat in Quinton beschäftigte sich zu fast hundert Prozent mit Raubüberfällen und zu null Komma einem Prozent mit Mordfällen. Von den drei unnatürlichen Todesfällen, die die Quinton Police im letzten Jahr beschäftigten, war einer ein Selbstmord - ein Sechsundneunzig-jähriger mit Prostatakrebs im Endstadium -, und die anderen beiden waren fahrlässige Tötung, aus dem gleichen Verkehrsunfall. Einen Moment lang spielte Decker mit dem Gedanken, sich in einer ländlichen Vorstadtgegend wie Quinton zur Ruhe zu setzen. Doch der Gedanke verschwand genauso schnell wie er gekommen war.
    Als Lieutenant aus einer großen Stadt wurde Decker von Virgil Merrin, dem Polizeichef von Quinton, persönlich empfangen. Merrin war etwa einsfünfundachtzig groß, korpulent und besaß diesen wie nassrasiert glänzenden, rosa Teint und so dünne, blonde Haare, dass die Kopfhaut durchschimmerte. Seine hellblauen Augen funkelten, als Decker ihm erzählte, dass er ursprünglich aus Gainesville in Florida stammte. Merrin kam aus West Virginia, was bedeutete, dass sie beide typische Südstaatler waren. Nachdem sie eine Weile übers Angeln gefachsimpelt hatten, kam Merrin schließlich zur Sache.
    »Eine Schande, diese Geschichte mit dem Mädchen.« Merrin trug einen blauen Anzug mit einem hellblauen Hemd, dessen Knöpfe sich über seinem Bauch spannten. Er schenkte Jonathan einen teilnahmsvollen Blick. »Wirklich eine Schande! Wir sind von Haus zu Haus gezogen - haben sämtliche Freunde des Mädchens abgeklappert. Aber nichts!«
    Merrins Büro lag im dritten Stock und bot eine herrliche Aussicht auf den Park mit seinen leuchtenden Tulpenbeeten, die sich wie farbige Wimpel im Wind wiegten. Dahinter lag ein eisgrauer See mit kleinen weißschaumigen Wellenkronen. Von seinem Platz aus konnte Merrin die ganze Szenerie mit einem Blick überschauen. In einem anderen Umfeld hätte das Ganze fast schon gemütlich gewirkt - das Einzige, was noch fehlte, waren ein offener Kamin, eine Zeitung und eine Tasse Kaffee.
    »Was ist mit den anderen?«, fragte Decker. »Den Jugendlichen von der städtischen Schule.«
    Merrin lachte leise. »Ich will es mal so sagen: Zwischen diesen beiden Stadtteilen... besteht keinerlei Kontakt. Selbst die Juden, die im Norden wohnen, haben keinen Kontakt zu den Juden im Süden.« »Der Vater hat sich unter anderem darüber beklagt,

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