Die Séance
– aber nicht tot”, sagte Ana mit gespielter Ungeduld. “Fragen wir es doch mal was.”
“Ich will überhaupt keine Antworten auf irgendwelche Fragen – solche Prophezeiungen könnten sich womöglich selbst erfüllen”, sagte Christina.
“Vielleicht willst du ja keine Antworten”, sagte Dan. “Aber ich will schon wissen, ob ich mein ganzes Leben lang ‘ne Mieze machen muss.”
“‘ne Mieze?” Ana kicherte. “Müsstest du dazu nicht ein Mädchen sein? Oder vielleicht auch nicht, heutzutage.”
“Sehr witzig, Kleine, wirklich sehr witzig”, meinte Dan trocken.
“Viele von den Entertainern in den Parks nennen es ‘die Mieze machen’, wenn sie in dämliche Rollen schlüpfen müssen”, erklärte Christina und konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. “Dan kommt bei einer neuen Show für die Rolle von Gottvater Zeus infrage, aber in der Zwischenzeit …”
“In der Zwischenzeit bin ich Waschbär Ralph”, sagte Dan.
“Waschbär Ralph?” Ana brach in Gelächter aus.
“Wenn wir noch Kinder wären, würde ich dir jetzt eine Kopfnuss geben”, sagte Dan.
“Na, dann Gott sei Dank, dass wir keine Kinder mehr sind”, sagte Ana.
“Das reicht jetzt”, sagte Mike, plötzlich ernst. “Ihr zwei müsst ein bisschen vorsichtig sein.”
“Wir machen doch bloß Witze”, sagte Ana und schnitt eine Grimasse.
Mike schüttelte ungeduldig den Kopf. “Ich habe nicht dich und Dan gemeint. Ich meine dich und Christie. Ich hab vorhin die Nachrichten gesehen. Es hat wieder einen Mord gegeben. Sie warnen alle Frauen, vorsichtig zu sein.”
“Einen Mord?”, fragte Christina.
“Sprichst du von der Frau, die sie neben dem Highway gefunden haben?”, fragte Ana.
Mike nickte. “Du musst doch auch davon gehört haben, sogar unten in Miami”, sagte er zu Christina.
“Habe ich auch. Aber es war nur diese eine Frau, richtig?”, fragte Christina.
“Ja, aber das macht einer ganzen Menge Leute hier in der Gegend ziemliche Sorgen. Der Mörder kopiert den Interstate-Killer”, sagte Mike.
“Das habe ich auch in den Nachrichten gesehen”, sagte Ana. “Klang, als ob sie gar nicht mehr sicher wären, ob sie damals überhaupt den Richtigen erwischt hätten, oder?”
“Ich glaube nicht, dass irgendwer das jetzt schon zugibt”, sagte Mike.
“Könnte das denn derselbe Kerl sein?”, fragte Christina. “Ich meine, ich bin da keine Expertin, aber ich dachte immer, so ein Killer würde in immer kürzeren Abständen morden, bis er selber getötet oder geschnappt wird. Könnte ein Serienmörder so eine lange Pause machen?” Sie spürte diffuse Nervosität in sich aufsteigen. Sie wusste, der sogenannte Interstate-Killer hatte vor einem knappen Dutzend Jahren die Mitte von Florida heimgesucht. Sie wusste auch, dass der angebliche Mörder erschossen worden war.
Und begraben.
“Vielleicht hat er gar keine Pause gemacht”, mutmaßte Dan laut. “Vielleicht ist er woanders gewesen … von Staat zu Staat gereist.”
“Möglich. Man sagt, diese Killer würden gern in Bewegung bleiben. Dem Himmel sei Dank für die Computer. Die machen einen großen Unterschied”, sagte Mike.
“Jed wird mehr darüber wissen”, meinte Ana zuversichtlich.
“Das stimmt. Er hat ein Buch über diese Morde geschrieben”, sagte Dan.
“Jed hat einen Roman geschrieben”, sagte Ana. “Der locker auf den tatsächlichen Ereignissen beruhte.”
Michael blieb still, warf Christina einen Blick zu.
“Was ist?”, wollte sie wissen.
Er schüttelte den Kopf, dann zeigte er mit dem Finger auf sie. “Sherri Mason, das Mordopfer, war eins dreiundsiebzig groß, etwa fünfundsechzig Kilo schwer. Sie hatte blaue Augen – und langes rotes Haar.”
Für einen langen Moment standen sie alle schweigend herum.
“Wow. Na, schönen Dank”, sagte Christina endlich.
Ana legte ihrer Freundin unterstützend einen Arm um die Hüfte. “Wir können schon auf uns aufpassen. Es sind immer nur die Unvorsichtigen, die in Schwierigkeiten geraten.”
“Darum geht es nicht”, sagte Michael und holte tief Luft. “Christina, du musst wirklich vorsichtig sein. Die früheren Opfer, vor zwölf Jahren … die waren alle groß. Und alle hatten helle Augen und …”
“Und lange rote Haare.” Dan atmete kaum noch.
“Genau wie Sherri Mason”, sagte Mike. “Die auf genau dieselbe Art umgebracht wurde. Als ob ein Geist sie ermordet hätte.”
2. KAPITEL
J ed hätte gleich rüber zu Christinas Haus fahren sollen, und tatsächlich hatte er das auch
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